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seiner ganzheitlichen Fassung läßt beide Seiten, die transzendente
und die einwohnende, mühelos und klar hervortreten.
Platon selbst beschäftigten diese ontologischen Bestimmungen anhaltend, aber
er vermochte im „Sophisten“, einem der tiefsinnigsten Werke des philosophischen
Schrifttums, den Widerspruch zwischen dem „An-und-für-sich-Seienden“ und
„Bewegung, Leben, Seele, Denken“ nicht zu beseitigen. Er erklärt dort die Idee
als „leidend durch Erkanntwerden“
1
, wodurch gleichfalls eine passive Bewegung
in die Idee gebracht werden soll. Mittelbar macht er wohl diesen Widerspruch
dadurch begreiflich, daß er den tiefsinnigen Begriff des nur vergleichsweisen, nur
verhältnismäßigen Nicht-Seins einführt (das
μή όν),
welches kein Nichts-Sein
(kein
ούκ
όν)
ist. Das vergleichsweise Nicht-Sein
(μή όν)
besagt, daß dasjenige, was
noch nicht da ist, das aber der realen Möglichkeit nach ist, darum nicht überhaupt
Nichts sei, nicht ein überhaupt Nichtseiendes sei (kein
ούκ όν).
So unantastbar
dieser Gedankengang bleibt, er vermag den Widerspruch der Bestimmungen
„An sich“ gegen „Bewegung und Leben“ deswegen nicht klar aufzulösen, weil er
das Dasein-G e b e n d e jenes noch nicht Daseienden nicht zeigt, weil er dieses
Noch-nicht-da-Sein nicht als das Vorsein (die Idee) gegenüber dem Dasein (dem
sinnfälligen Sein), weil er nicht das Verhältnis von a u s g l i e d e r n d (aber
selber unausgegliedert bleibend) und ausgegliedert (damit erst sinnfällig, erst da-
seiend) aufzeigt. Erst sobald das
όντως
όν
als das Ausgliedemde, Schöpferische
gefaßt wird, erscheint es sowohl an sich wie für die Welt, sowohl rein seiend wie
bewegend. Das Vorsein ist das Unberührbare und Höhere, aber es ist dennoch die
Wurzel des Niederen, Sinnfälligen, Veränderlichen.
Bis hierher konnten wir Platon folgen, und es bedurfte nur der
Anwendung des Begriffes der Ganzheit auf seine / ontologischen
Bestimmungen, um sie vollkommen zu ordnen. Ein anderes ist es
aber mit der Bestimmung der „Einfachheit“, die er gleichfalls der
Idee zuschreibt
2
. Die völlige Einfachheit der Idee ist ein unvoll-
ziehbarer Gedanke. Ein Mannigfaches muß auch in der Idee an-
genommen werden, muß auch dem Vorsein zukommen. Aber dieses
Mannigfache ist als ein Vor-Ausgegliedertes zu verstehen, ähnlich
etwa wie unsere Gedanken im Verhältnisse zu den durchführenden
Handlungen. Die Idee ist auch im Vorsein Glied eines Stufenbaues
von Ideen. Wie könnte Einheit anders denkbar sein denn als Ein-
heit in der Vielheit, wie könnte auch ein intelligibler Gliederbau
von Seiendem anders denkbar sein denn als ganzheitliche Mannig-
faltigkeit? Lediglich eine v e r g l e i c h s w e i s e Einfachheit kann
1
Platon: Sophistes, 248 e ff.
2
Vgl. die Nachweise oben S. 404 ff.; Platon: Parmenides, 137 c ff., 160 d ff.
An anderen Stellen sagt dagegen Platon selbst, daß die Ideen an der Idee der
Anderheit teilnehmen, wodurch sie also Vielheit erlangen. — Vgl. auch unten
S. 485 f. (Gemeinschaft der Ideen).