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in sich erlebt, darum kann sich jeder am eigenen Leben klarmachen,
was Geschichte ist. Noch mehr lehrt das Schauspiel uns Geschichte
und geschichtliche Freiheit verstehen. Im Schauspiel haben wir den
Inbegriff der Geschichte. In ihm lebt nicht ein Mensch allein sein
Leben, er lebt es in der Ganzheit; und er lebt es aus seinem Schöp-
fertum, durch das er allein frei ist, heraus. Im „Wallenstein“, im
„Prinzen von Homburg“, im „Treuen Diener seines Herrn“, in
Richard III., in Heinrich IV., ja in jedem beliebigen großen Schau-
spiel (und wären es scheinbar persönlichste Stücke wie ».Romeo und
Julia“ oder der „Sturm“) lebt jeder sich selbst im Leben des Staates,
der Sippe, der Lieben, des Ganzen überhaupt. — Und wodurch ist
das Lebenerfüllte, Spannungsvolle jedes Schauspiels bestimmt? Da-
durch: daß es auch hätte anders kommen können, weil in jedem
Geschehen Neues aus dem Schöpfertum der Glieder hervortritt,
das vollgedrängt ist von den Keimen mannigfachen Könnens. Das
ist es! Falstaff und Heinrich, beide sitzen als gleiche Tagediebe am
Zechtische. Während der eine, Prinz Heinrich, mit dem Tode seines
Vaters seine Aufgabe erfaßt, sich aufrafft, wie eine glänzende
Sonne aufsteigt, seine eigene Geschichte und die seines Staates macht,
sinkt der andere, Falstaff, immer tiefer ins Verbrecherische hinab
und macht Geschichte der menschlichen Unterwelt. Der eine steigert
sich und wird, der andere verflüchtigt sich zu einem Nichts, zu
einer Luftblase. Im Einzelnen erscheint auch das Ganze als in
einem Gliede. Hätte sich Prinz Heinrich so entwickelt wie Falstaff,
dann hätte er den Staat und sich selbst hinabgestürzt. Und das freie
Können eines jeden im Rahmen s e i n e r Art des Schöpfertums
zeigt, daß nicht Eindeutigkeit in der Geschichte ist, sondern Frei-
heit in jenem tiefen Sinne, die unserem Leben Glanz und Größe,
aber auch die Gefahr, den Untergang bringt. Der Mensch klagt
darum immer, daß ihm die große Last der Entscheidung aufge-
bürdet sei. Aber das Leben / ist nun einmal nicht möglich ohne
diese Last. Die Menschen wären eindeutig weiter schließende Prä-
missen, wenn sie nicht auch die Möglichkeit (oder gar den Drang)
zum Fallen, zum Irren, zur Erhebung, zur Erneuerung hätten.
Gerade diese Möglichkeit ist die Ehre des Schöpfertums.
Freiheit und Schöpfertum sind also nötig, wo Geschichte sein soll.
Um keinen Preis wollen wir den Gedanken aufgeben, daß es auch
hätte anders kommen können. Darum ist die Frage: Was wäre ge-