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Neueinbrüche des Geistes in die Geschichte. — Wir können auch
sagen, daß die Umgliederungsauswirkung auch die U m g 1 i e d e -
r u n g s m a c h t des Neuen sei, die Macht des neu Einbrechenden,
in einem geschichtlich zubereiteten Ganzen weiterzuwirken. Die
Ideen der Renaissance, die Ideen der Aufklärung hatten eine Um-
gliederungsmacht, die bis heute wirksam ist. Wir finden viele Ge-
danken in der Geistesgeschichte und auch Taten in der Staaten-
geschichte, die „frühreif“ sind, d e n e n d a h e r n i c h t d i e
W a h r h e i t , a b e r z u i h r e r Z e i t d i e U m g l i e d e -
r u n g s m a c h t f e h l t . Umgliederungsmacht tritt erst da auf,
wo die Umgliederungs- / reife gegeben ist. Richtigkeit und Wahrheit
eines Gedankens und einer Tat genügen an sich allein nicht, sondern
es kommt auch die jeweilige Lage des Umgliederungsganges dazu
(
καιρός
,
der rechte Augenblick!)
1
.
Hat man nur die Anknüpfung an Früheres im Auge, so würde
Umgliederung die verhältnismäßige Ungeschlossenheit und Unganz-
heit der Geschichte bedeuten. Wo Umgliederung ist, muß zunächst
Anfang sein, da „Ganzheit“ notwendig ein sinnvoller Zusammen-
hang ist und jedes Sinnvolle Gestalt, das heißt Anfang haben muß.
Hier drängt sich nun eine weittragende, dem Denken unserer Zeit
fremde Folgerung auf: Wo Anfang ist, dort muß auch Ende sein.
Sonst würde die Gestalt wieder vernichtet, würde das Chaos herauf-
geführt. O h n e d e n G e d a n k e n d e s A n f a n g e s u n d
E n d e s i s t G e s c h i c h t e n i c h t m ö g l i c h . Gewiß steht
der einzelne Geschichtsschreiber vor einer anderen Sachlage. Wer
z. B. die Geschichte des Griechentums schreibt, kann nicht mit Adam
und Eva anfangen. Aber des Anfangs zu entbehren, die Umgliede-
rungslage des Beginnes (oder die Ausgliederungslage des Uranfan-
ges) nicht zu kennen, ist ein Unvollkommenheitszeichen. Wer den
Begriff der Geschichte selbst fassen will, muß einen Anfang setzen,
ebenso wie ein Ende. Die Schöpfungsgeschichten der Völker, ebenso
wie die Weissagungen von der Götterdämmerung und dem Jüng-
sten Gericht sind Zeuge des Urgefühls der Völker, daß die Ge-
schichte Anfang und Ende hat. Die Idee von einem Anfang und dem
1
Vgl. unten S. 305 ff.