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generales du gouvernement économique d’un royaume agricole, 1758
1
;
Droit naturel, 1765; seine ersten ökonomischen Veröffentlichungen waren
die Artikel „Getreide“ und „Pächter“ in der großen Enzyklopädie. Ge-
samtausgabe von Oncken unter dem Titel „Œuvres économiques et philo-
sophiques de Quesnay“, Frankfurt und Paris 1888. Allmählich bildete
sich eine Schule, in der der ältere M i r a b e a u u n d T u r g o t besonders
hervorleuchten. Quesnay starb 1774, kurz nachdem Turgot Minister ge-
worden war. So erlebte er wohl noch den Sieg, nicht aber den Zusam-
menbruch seiner Schule.
1.
T h e o r i e
Das Lehrgebäude Quesnays ist nicht nur Volkswirtschaftslehre,
sondern Teil einer Philosophie, der Philosophie der Aufklärung.
Daher hat es seine Einheit, den Zug von Größe und Kühnheit.
Quesnay wollte, indem er dabei durchaus von den materialistischen
Vorstellungen seiner Zeit ausging, die gesellschaftlichen und sitt-
lichen Tatsachen ebenso als „natürlich“ betrachtet wissen wie die
physikalischen und ihre Gesetze gleichermaßen als Naturgesetze. /
Quesnay faßt den Naturzustand ähnlich auf wie Locke
2
und er-
blickt demgemäß das Wesen des Staates in der Gewährung von
Sicherheit und Eigentum
3
; das wirtschaftliche Naturrecht, ebenfalls
im Sinne von Locke, im Genuß der Dinge, die der Einzelne durch
seine Arbeit schafft, ein Recht somit auf selbstgeschaffenen Lebens-
unterhalt (Existenz). In ihm ist ein weiteres natürliches Recht des
Individuums inbegriffen: s e i n S c h i c k s a l s o g ü n s t i g w i e
m ö g l i c h z u g e s t a l t e n — der wirtschaftliche Eigennutz (in-
térêt). Die Verfolgung dieses Eigennutzes ergibt daher eine „natür-
liche Ordnung", den „ordre naturel“, der auf Naturgesetzen be-
ruht, im Gegensatz zur menschlichen, geschichtlichen Ordnung,
dem „ordre positif“.
Was dem Mittelalter so fremd war, nämlich die von M a c h i a v e l l i
zum erstenmal geforderte A u s s c h a l t u n g d e s S i t t l i c h e n a u s
d e n p o l i t i s c h e n W i s s e n s c h a f t e n , wird von Quesnay, noch
mehr aber von seinen Schülern, in einem geschlossenen Lehrgebäude
durchgeführt. Er sucht die Gesetze des wirtschaftlichen „ordre naturel“
zu erforschen, die im Gegensatze zur tatsächlichen, geschichtlich Vorge-
fundenen Ordnung, dem „ordre positif“, aus dem Naturplane mittels der
Vernunft abgelesen werden könnten.
1
Francois Quesnay: Allgemeine Grundsätze der wirtschaftlichen Re-
gierung eines ackerbautreibenden Reiches (= Sammlung sozialwissen-
schaftlicher Meister, Bd 1), Jena 1921.
2
François Quesnay: Droit naturel, chapter II und IV, siehe oben
S. 34 f.
3
François Quesnay: Maximes générales, Nr. 1 und öfter.