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derausgliederung untereinander haben. Daß sie nicht zusammen-
hanglos, nicht als ein atomistisches Nebeneinander in der Zeit ge-
schehen (gleich dem sinnlosen atomistischen Neben- / einander im
Raume), liegt schon im Begriffe der Umgliederung. Haben sie aber
einen Zusammenhang, dann ist damit gegeben, daß sie wesens-
gemäß nach einer bestimmten sinnhaften Ordnung geschehen, der
Umgliederungsordnung.
Wie s i e h t d i e U m g l i e d e r u n g s o r d n u n g a u s ? Das
ist eine entscheidende Frage jeder Geschichtsphilosophie. Sie kann
nur durch eine Zergliederung der Erfahrung beantwortet werden.
Die bisherige Geschichtsphilosophie unterscheidet folgende Möglich-
keiten, die wir nacheinander besprechen: Kreislauf und Wellen-
bewegung; Fortschritt; Lebensstufenfolge; Dialektik; endlich Ent-
faltung einer Ganzheit.
A.
K r e i s l a u f , W e l l e n b e w e g u n g , W i e d e r k e h r
d e s G l e i c h e n
Der altindischen Lehre von der wiederholten Weltschöpfung und
Weltvernichtung, gleich einem Ausatmen und Einatmen der Gott-
heit, in dem die Welt entsteht und wieder vergeht, sind wir schon
früher begegnet. Es würde daraus ein K r e i s l a u f des Gesche-
hens folgen, der aber nicht mathematisch aufgefaßt werden darf,
das heißt nicht in dem Sinne einer Wiederkehr genau gleicher Vor-
gänge, zumal keineswegs behauptet wird, daß in allen Weltschöp-
fungen dasselbe geschehe, vielmehr gerade aus der damit verbun-
denen Wiedervergeltungslehre geschlossen werden muß, daß Ver-
schiedenartiges geschehe.
Ähnlich ist die Vorstellung von der W e l l e n b e w e g u n g .
Sie behauptet ein Auf- und Niedergehen der Menschheitsentwick-
lung, wonach die Errungenschaften der Kultur verlorengehen und
wiedergewonnen werden. Auch sie bedeutet keine Wellenbewegung
im mathematischen Sinne, das heißt in dem Sinne, daß genau die
gleichen Wellen wiederkehren. „Wellenbewegung“ und „Kreislauf“
sind vielmehr nur formale Begriffe, die sich durch den Gegensatz
zum Fortschritte kennzeichnen.
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