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Aber im Grunde ist sie doch nicht minder naturalistisch, da sie eben-
falls einen naturgesetzlichen Ablauf der Geschichte annimmt. Wie
sich sogleich zeigen wird, stimmen die von dieser Lehre behaup-
teten Gleichläufigkeiten zwischen der geistigen Welt der Geschichte
und der körperlichen Welt der Organismen mit der Wahrheit
nicht überein.
D. D i a l e k t i k
Die Dialektik Fichte-Hegelischer Prägung ist ohne Zweifel ein
Schlüsselbegriff der Geschichte. Es zeigte sich aber, daß die Gegen-
sätzlichkeit, auf der er beruht, der Weise der Unvollkommenheit,
nicht dem Wesen der Sache selbst, angehört
1
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VI. Gründung und Entfaltung
Lehrsatz 5: Die Umgliederungsordnung hat der Vollkommenheit
nach die Weise von Gründung und Entfaltung, der Unvollkommen-
heit nach die Weise von Fehlgründung und Fehlentfaltung.
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A. A l l g e m e i n e E r k l ä r u n g
Die Lehre von den leiblichen Lebensaltern der geistigen Organis-
men in der Geschichte der Völker und Kulturen widerspricht den
nackten Tatsachen. Es ist geschichtlich nicht wahr, daß die Völker
reifen, einen Höhepunkt erreichen, dann altern und schließlich
sterben. Dem widerspricht die Geschichte des Germanentums von
der Urzeit bis heute, ebenso die der Slawen oder der Chinesen, be-
sonders aber jede Kulturerneuerung und Kulturdurchdringung.
Doch mögen hier die empirischen Beweise, die später von selbst zum
Vorschein kommen werden, noch beiseite bleiben. Vorerst bedarf es
einer rein grundsätzlichen Begriffsbestimmung. Die Frage ist, was
für einen Verlauf der Umgliederungsgang des Geistes in der Ge-
schichte nimmt.
1
Darüber mehr bei der Lehre von den Spannungen, siehe unten S. 188 ff.