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nach vollbrachter Schöpfung eine unvermeidliche Leere, Trocken-
heit und Erschöpftheit sich zeigt? Nicht von der leiblichen Ermü-
dung ist dabei die Rede, sondern davon, daß sich / der Geist saftlos
wie eine ausgepreßte Zitrone nach dem schöpferischen Wirken vor-
findet. — Die Tatsache ist einzuräumen. Aber sie beweist nichts ge-
gen die Unerschöpflichkeit des Geistes. Der Zustand der Erschöpft-
heit ist nur vorübergehend. Wenn nach verarbeiteter Eingebung
nicht im Augenblicke schon eine neue Eingebung bereit ist, so regt
sich die Schöpferkraft des Geistes doch bald wieder. Ja solche Zwi-
schenräume können, wie das rastlose Schaffen Mozarts bezeugt,
ohne Bedeutung sein. Entscheidend ist aber noch ein anderer Um-
stand, der immer wieder Beachtung heischt: das B i l d d e r e h e -
d e m e m p f a n g e n e n u n d v e r a r b e i t e t e n E i n g e -
b u n g i s t d e m G e i s t e t i e f e i n g e p r ä g t . Die Verede-
lung des Geistes ist notwendig nach Maßgabe der Edelheit dieses
Bildes erfolgt und darum die Kraft des Geistes, neue Eingebungen
zu empfangen, nicht nur daran geübt, sondern, was noch mehr ist,
am Edelgehalt des Bildes gehoben.
D. W i r k e n u n d G e z w e i u n g
Wir haben noch einmal zu dem Verhältnis von Schauen und Han-
deln zurückzukehren. Warum es beim Schauen nicht bleiben kann,
ist durch das aufgedeckte Wechselspiel von Eingebung und Ver-
arbeitung durchaus erklärt: Es liegt etwas im Wirken, von dem das
Innere frei wird. Aber daß dadurch doch zugleich das Innere als ge-
stärktes zurückbleibt, das ist die tiefere, die geheimere Notwendig-
keit in diesem Wechselspiel.
Die Gegenseitigkeit von Innerem und Äußerem ist ein so tief in
die Schöpfung eingegrabener Zug, daß sie in Gott dem Schöpfer
selbst begründet sein muß. Daß s i c h n u r d u r c h V e r -
ä u ß e r l i c h u n g d i e V e r i n n e r l i c h u n g v o l l z i e h t
— weil das Schauen der Eingebung erst durch seine Annahme und
Verarbeitung Wirklichkeit und Wahrheit gewinnt — das ist das
Offenbarste und doch Geheimste, das wir im Leben des Geistes fin-
den können.
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