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[154/155]

von Schauen und Handeln hin, als Vertiefung stets ein auf Un-

mittelbarkeit, auf Schauen, hinweisender Zustand ist.

Es gehört zu dem größten Gegenstande menschlicher Erkenntnis,

das Verhältnis von Schauen und Handeln, Denken und Tun, Ein-

kehr und Hinauswendung, oder wie man es sonst bezeichnen will,

in seinem Grunde zu begreifen.

Das geistige Schauen stellt sich als eine Vertiefung des Zustandes

der Innerlichkeit, als ein nach innen gekehrtes Sein unseres Geistes

dar. Man ist geneigt, solche Innerlichkeit für einen höheren Zustand

zu halten. Das ist auch der Fall, obzwar Stufen von innerem

Schauen zu unterscheiden sind. Die Haltestellen jener Vorgänge,

die vom inneren Schauen bis zum äußeren Handeln führen, haben

wir an anderer Stelle

1

zur Genüge dargestellt, nämlich als: die

Eingebung selbst (der schauende Zustand, das Innewerden im wei-

testen Sinne); die Annahme der Eingebung (des Innegewordenen);

die Verarbeitung des Eingegebenen, sei es als Denken, sei es als

Gestalten, endlich in der Folge als äußeres Tun. Das sind die Haupt-

punkte, um die es sich handelt. Daraus ergibt sich:

Jede Eingebung bezeichnet jedesmal den Durchbruch eines Neuen

in das Geistesleben, bezeichnet also eine Grundlegung, eine G r ü n -

d u n g (allerdings nur für das betreffende Inhaltsgebiet des Geistes).

Indem eine neue Eingebung auftritt und angenommen wird, wird

der bisherige Bestand des Geistes gewissermaßen außer Kraft gesetzt,

gewissermaßen fallen gelassen. Wir können dieses Fallenlassen bild-

lich, im Sinne einer Entsprechung einen Vor- / gang des Alterns im

Geiste nennen. — Indem aber andererseits durch die Annahme der

neuen Eingebung eine neue Gründung im Geiste erfolgt, ein neuer

Durchbruch (eines vorweltlichen Seins) in den Geist hinein statt-

findet, bedeutet das: eine Bereicherung des Geistes, eine Vertiefung,

eine Verjüngung. D u r c h „ A l t e r n “ „ v e r j ü n g t “ s i c h

d e r G e i s t .

Nun folgt die Verarbeitung des Eingegebenen. Sie besteht darin,

daß das Eingegebene im ausführenden (diskursiven) Denken oder

im ausführenden, künstlerischen Gestalten ausgebreitet und konkre-

tisiert wird, sowie im Handeln eine weitere Ausmünzung und

Fruchtbarmachung erfährt. Der Denker muß den Gedanken in be-

1

Siehe mein Buch: Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1929, Bd 1, S. 213 ff.

[2. Aufl., Graz 1969, S. 196 ff.].