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Es liegt aber darin nicht nur die Gegenseitigkeit des Innern und
Äußern selbst, sondern noch mehr: ein Hinweis auf die anderen
Wesen der Welt! Denn indem z. B. der eine spricht (etwas äußert,
handelt), hört es der andere, macht es i n n e r l i c h . Nicht allein
eine Arbeit nach außenhin liegt daher im Wirken, sondern, da es in
Gezweiung geschieht, liegt noch tiefer darin verborgen: eine Mit-
teilung an die anderen Wesen, also zugleich auch wieder eine Arbeit
nach innen hin. Und wieder erfolgt diese Mitteilung nicht nur in
deren eigenes Innere, sondern, da beide Wesen, das Mitteilende und
das mit der Mitteilung bedachte, Glieder der Gezweiung sind, in
das Innere jener höheren geistigen und zeitlichen Ganzheit, der
beide angehören.
Wenn Gott von alten M y s t i k e r n das sich Mitteilende, das
„diffisivum sui“ genannt wurde, so zeigt sich nun, daß auch der
Mensch von Gott dasselbe sich mitteilende Lebensgesetz empfangen
hat. Auch der Mensch ist seinem wesensbegründenden inneren Ur-
gesetze nach ein diffisivum sui.
„Wir leben nicht im Schauen“, „wir müssen auch handeln“ heißt
nicht nur, daß in unserem eigenen Innern der Schatz der Eingebung
ohne Tun nicht gehoben werden könne; es heißt ebenso sehr, daß
die Veränderung unserer Gliedstellung in der Gezweiung, die da-
durch eintritt, daß wir infolge neuen Schauens selbst verändert wur-
den (denn wer ein anderer ist, hat auch eine andere Gliedhaftigkeit);
daß d i e s e V e r ä n d e r u n g n i c h t i n u n s s e l b s t
v e r z e h r t w e r d e n k a n n , s o n d e r n d e n a n d e r e n
G l i e d e r n d e r G a n z h e i t , z u l e t z t d e m g e s a m t e n
A l l d e r G e s c h i c h t e m i t g e t e i l t w e r d e n m u ß .
In der Gegenseitigkeit von Schauen und Handeln liegt nicht nur
die Selbstgestaltung, sondern auch die Weltarbeit des individuellen
Geistes beschlossen. Daß Schauen nur durch Handeln verwirklicht
werden kann, das bedeutet den Auftrag an den Einzelnen, die ihm
eigentümlich zukommende / Weltarbeit in der Geschichte zu er-
füllen. — So enthüllt sich uns der Begriff des g e s c h i c h t l i -
c h e n A u f t r a g e s , er enthüllt sich nüchterner zergliedernder
Betrachtung.
Darum muß wesensgemäß der Schauende sein Schauen nicht nur
in sich, sondern auch in anderen fruchtbar machen, sei es durch Ver-
kündigung, Mitreißen, Begeisterung, begriffliche Auslegung, wie in