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nete erfaßten: das organisatorische Leben der Gliedstaaten, der politischen
Stände, der wirtschaftlichen Stände, der geistigen Stände (als Organisationen
betrachtet).
Aus dem Verhältnisse der Urspannungen und Folgespannungen
ergeben sich weitere Folgerungen für die soeben behandelte
G l e i c h s i n n i g k e i t u n d U b e r k r e u z u n g d e r S p a n -
n u n g e n . Je tiefer man in die nachgeordneten Teilgebiete des Ge-
sellschaftsganzen hinuntersteigt, um so größere Bedeutung hat das
Zusammentreffen der aus ihrem Eigenleben entstammenden Span-
nungen mit den Spannungen der vorgeordneten Teilgebilde; denn
es gelten die Sätze: je t i e f e r e i n e S p a n n u n g l i e g t ,
u m s o ü b e r l e g e n e r s i n d i h r d i e j e w e i l s s c h o n
V o r g e f u n d e n e n v o r g e o r d n e t e n S p a n n u n g e n ;
u n d u m s o m e h r S p a n n u n g e n w i r d s i e j e w e i l s
ü b e r s i c h v o r f i n d e n . Daher gilt weiter: Die gleichsinnigen
Spannungen wirken um- / so verstärkender, die überkreuzenden
um so schwächender, je überlegener ihr Vorrang ist.
Ferner können wir den Satz auf stellen: Die Spannungen nach-
geordneter Teilgebiete können nur dann ihren Vorrang gegenüber
den ihnen selbst wieder nachgeordneten geltend machen, wenn sie
durch Spannungen von vorgeordneten Teilgebilden nicht gehindert
werden. Hierin liegt nichts anderes, als was schon durch einen frü-
heren Satz ausgesprochen wurde: daß bei der Auswirkung von
Spannungen Vorränge nicht übersprungen werden können.
Was die verschiedene H e f t i g k e i t u n d S t ä r k e (Dichte,
Intensität) der Spannungen anbelangt, so ist ihre Bedeutung ver-
hältnismäßig geringer. Es gilt der Satz: die s c h w a c h e S p a n -
n u n g h ö h e r e n V o r r a n g e s i s t m ä c h t i g e r a l s d i e
s t a r k e S p a n n u n g n i e d e r e n V o r r a n g e s . Daß sich die
schwache Spannung, wenn sie höhere Vorrangstellung hat, auch
gegen solche Spannungen durchsetzt, die in ihrem eigenen Bereiche
stärker sind, das wird klar, wenn man z. B. den Aufbau der Rechts-
sätze betrachtet. Der Satz etwa „Reichsrecht bricht Landrecht“, das
heißt Recht höherer Stufe bricht Recht niederer Stufe, gilt begriffs-
gemäß durchwegs: auch dann, wenn es sich im Recht höherer Stufe
um eine nebensächliche, im Rechte niederer Stufe um eine wichtige
Bestimmung handelt; der Satz „Kauf bricht Miete“ gilt auch dann,
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