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dend. Überall ist die Gezweiungskraft auf gliedhafte Einseitigkeiten
gegründet.
Die Zwitterwesen haben kraft der durchgängigen Brüchigkeit der
Geschichte trotz allem keine geringe Stellung in ihr. Sie suchen sich
für die geringe Lebenstiefe, die ihnen infolge ihrer Gezweiungs-
schwäche erreichbar ist, dadurch zu entschädigen, daß sie zerstören.
Der bucklige Richard sagt bei Shakespeare von sich selbst:
„Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt...
Bin nun gewillt, ein Bösewicht zu werden.“
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Solchem Krüppel gleicht der Zwitter. Und das gilt, was der Ge-
schichtsschreiber nicht genug beherzigen kann, nicht nur für Ein-
zelne, es gilt auch in ihrer Weise für jene Völker, Staaten, Stände,
Sekten und andere Ganzheiten, die auf zwitterhafte Gleichstellung
hintreiben. Solche Völker, Stände, geistige Strömungen, Gruppen
und Einzelmenschen wirken auflösend („neutrale“ Staaten, „Pazifi-
sten“, „Sufragetten“ u. ä.). — Verweiblichung der Männerwelt und
Amazonentum wirken gleich zerstörend. Alle Verfallszeiten zeigen
solche Bilder. Heute wird das Amazonentum in Sport, Politik und
Beruf künstlich gezüchtet. Die Zwitterwesen werden infolge ihrer
Gezweiungsschwäche und Zweideutigkeit leichter aus der Geschichte
verschwinden und den Kampf ums Dasein nicht bestehen. Aber aus-
rottbar sind sie nicht. Auch entstehen immer neue.
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Aus der getrennten Stellung von Mann und Weib folgt: daß sie
beide dem Wesen der Sache nach Träger verschiedenen Kulturgutes
sind, ähnlich wie die verschiedenen Begabungen, ähnlich wie die ver-
schiedenen Völker jeweils verschiedene Seiten der Kultur besonders
auszubilden imstande und berufen sind. Die Gleichheit der Ge-
schlechter und auch ihre völlig mechanische Gleichstellung, so folgt
daraus, erweist sich als wesens- und geschichtswidrig. Die Gleichheit
würde Zwittrigkeit voraussetzen.
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William Shakespeare: König Richard III., 1. Aufzug, 1. Szene (Richard,
noch Herzog von Gloster).