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B. Die S p a n n u n g e n a u s R a s s e u n d U m w e l t
Eine ausführliche Behandlung dieses Gegenstandes kann hier um
so mehr entfallen, als sie von den geschichtsphilosophischen Fragen
abführen würde. Außerdem dürfen wir auf unsere „Gesellschafts-
lehre“ verweisen
1
.
Wesentlich für unsere Geschichtsphilosophie ist nur die Ablehnung
des Rassenmaterialismus, wie er durch Gobineau zum ersten Male
lehrhaft begründet wurde; und ebenso die Ablehnung der Umwelt-
oder „Milieulehre“, wie sie in der Aufklärung üblich war und durch
die naturwissenschaftliche Soziologie mechanistischer Richtung be-
griffliche Ausbildung erfuhr.
1.
Die Menschenschläge
Wie Gobineau und seine Nachfolger alle Kulturen aus Rassen-
mischungen zu erklären, dabei als einzigen Träger der Kultur die
nordische Rasse zu verkünden, das muß als grelle Unwahrheit, die
vor der Geschichte nicht bestehen kann, bezeichnet werden. Die
Grundfrage des geschichtlichen Lehrbegriffes des Menschenschlages
der Rasse ist erst beantwortet, wenn ihre Entstehung erklärt ist. So-
lange das nicht gelungen ist, kann man nicht sagen, daß wir eine auf
die Geschichte anwendungsfähige / Rassentheorie hätten. — Die
Entstehung der Rassen ist materialistisch und überhaupt naturwis-
senschaftlich, das heißt mit dem ursächlich-mechanischen Verfahren,
nicht zu erklären. Die G e s c h i c h t e d e r R a s s e n m u ß
z u l e t z t s e l b e r i n G e i s t e s g e s c h i c h t e a u f g e l ö s t
w e r d e n . Das hat Schelling in seiner „Philosophie der Mythologie
und Offenbarung“ zum ersten Male versucht
2
und er hat damit
recht behalten. Wer aber von unseren neueren, heute so laut auf-
tretenden Rassenlehrern hat überhaupt Schelling gelesen, wer von
ihnen hat die philosophische Bildung, um ihn lesen zu können?
1
Vgl. mein Buch: Gesellschaftslehre (1914), 3. Aufl., Leipzig 1930, über Rasse,
S. 262, 249 ff. und 464; ebendort über Umwelt, S. 146 f., 276 ff. und 287. [4. Aufl.,
Graz 1969, S. 317 ff., 432 ff. und 549; S. 182 ff., 336 ff. und 348],
2
Friedrich Wilhelm Josef von Schelling: Sämtliche Werke, Stuttgart 1856—
1861, Bd 11, 5. Vorlesung.