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man, um was es sich handelt. Die mechanistische Gesellschaftslehre

und die sensualistische Seelenlehre behaupten gleichermaßen ein ein-

deutiges, äußerliches Abhängigkeitsverhält- / nis des Menschen von

der Umwelt („Milieulehre“

1

). Sagt man dann etwa, daß der Nord-

länder durch die Natur zu energischem Handeln erzogen würde, der

Südländer erschlaffe, so mag darin ein Körnchen von Wahrheit lie-

gen, aber keineswegs etwas Vollgültiges, mit dem die Geschichts-

schreibung arbeiten könnte. Die Geschichte kennt sowohl höchste

Tatkraft am Nil und Euphrat wie im Norden. Die Tatsache, daß

drei Völker: Inder, Griechen, Deutsche die bedeutendsten Träger

der Geistesgeschichte sind — Veden, Upanischaden; Platon-Aristote-

les; Meister Eckehart, deutscher Idealismus — diese Tatsache allein

stößt jede Umweltlehre um.

Der Fehler aller Umweltlehre liegt schon am falschen Begriffe

der Umwelt, in der Annahme nämlich, als wäre die „Umwelt“ et-

was an sich dem Menschen Gegebenes, an sich Bestimmtes. Aber

„das Ich setzt sich selbst“; und „es setzt im Ich das Nicht-Ich“

(Fichte). Der wahre Begriff sagt uns vielmehr: daß die „ U m -

w e l t " s c h o n e i n e g e i s t i g e T a t d e s M e n s c h e n

i s t. Das, was uns zur „Umwelt“ in dem Sinne wird, daß es in un-

serem jeweiligen Gebäude von Zwecken und Mitteln sich fördernd

oder hemmend einfügt, ist dem Gebäude der Zwecke und der (da-

von erforderten!) Mittel ja offenbar nachgeordnet. Nur durch den

Vorrang des Zweckes entsteht eine S p a n n u n g zwischen Zweck

und Mittel, zwischen Mensch und Umwelt.

Wo z. B. Eisen- und Kohlenlager nebeneinander Vorkommen, wird der

heutige Europäer eine „Schwerindustrie“ erstehen lassen, dort wird also eine

Spannung zwischen ihm und der Umwelt entstehen; der Naturmensch dagegen

wird nicht in dieselbe Spannungen versetzt, das heißt entweder überhaupt keine

oder mindestens keine großgewerbliche Verwertung dafür finden. Das, was zur

bedeutsamen „Umwelt“ für den Menschen wird, hängt also schon von seiner

geistigen Einstellung, seiner geistigen Tat ab.

/

Ähnlich steht es mit großen Naturereignissen, die in der Geschichte wirksam

gewesen sein sollen. So etwa, wenn man das „Austrocknen der Wüste“ dafür

verantwortlich macht, daß sich die Araber mit dem Schwerte in der Hand

erobernd auf alle Welt stürzten und ihr ihre Religion aufdrängten. Den Vorrang

hat hier die religiöse Geistesbewegung gehabt (was sich ein Materialist von heute

1

Vgl. oben S. 27. Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, Berlin

1859, Vorwort: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, son-

dern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt“.