332
[383/384]
C.
Von der S c h ö p f u n g s l e h r e u n d d e m G a n g e
d e r G e s c h i c h t e
Es hilft nichts, je tiefer man in den Begriff der Geschichte ein-
dringt, je mehr man sich in die Sache hineinversenkt, um so unver-
meidlicher und bestimmter kommt man zu dem Ergebnis: Weltliche
Geschichte hat überweltliche Vorbedingungen, weltliches Geschehen
und vorweltliches Sein stehen in irgendeinem Verhältnis zueinan-
der! Die Geschichte wird „im Himmel“ zwar nicht gemacht, aber
angelegt. Das Schöpferische, das aller Ge- / schichte zu Grunde liegt,
fordert unter allen Umständen dieses Ergebnis.
Davor schrecken nun viele zurück und halten solche Sätze für
Schwärmerei, für romantisches Schwelgen, indem sie etwa sagen:
War die sizilianische Vesper auch im Himmel vorgesehen? — Es ist
aber nicht so zu verstehen, als ob alles, was hier auf Erden geschieht,
vorher im Himmel geschähe oder beschlossen würde. Indessen, jede
Kraft und Wesenheit, die in die Geschichte eintritt, beruht infolge
ihres schöpferischen Ursprungs auf Gnade und Auserwählung. Jede
Kraft und Wesenheit kann aber von dem Verliehenen einen ver-
schiedenen, kann ihren eigenen Gebrauch machen. Dadurch wird die
Geschichte „im Himmel“ vorgesehen, auf Erden aber ausgeführt
und vollendet — und dieser Ausführung gehört der größere Teil
des äußeren Geschehens. Aber leider waltet dabei das Irdische vor,
ergeht darin sich die Unvollkommenheit!
Von einem nicht-irdischen Hintergrunde der Geschichte hat der
Besonnenste zu sprechen und gerade er zu sprechen. Nur der Ma-
terialist und Naturalist, der die tiefer liegenden Vorgänge an den
Dingen der Geschichte nicht sieht, kann sich dieser Erkenntnis ent-
schlagen.
Anders steht es aber mit der Frage, ob wir von jener überzeit-
lichen Vorgeschichte etwas wissen können? Hegel hat dies (mittel-
bar) dadurch verneint, daß er das Werden aus einem rein formalen
Gesetze, nämlich den dialektischen Schritten mit ihren Gegensätzen
ableitete. Er wollte also nicht sagen, was im Überweltlichen ge-
schieht, sondern nur: wie es sich hier verwirklichen muß. Daß das
dialektische Verfahren schon bei der Ableitung des Aufbaues der
Welt (der Ausgliederung) nicht zureiche, und daß es noch weniger
in der Ableitung des geschichtlichen Ganges der Welt zureiche,