Auf dem steilen Boden, den wir nun betreten, heißt es behutsam
vorgehen. Schon das Wort „Mystik“ ist dem aufklärerischen Zeit-
geiste anstößig und mit Unklarheit, Schwärmerei, Unwissenschaft-
lichkeit gleichbedeutend. Vor allem andern müssen wir daher die
Fragen: Was ist Mystik? und welche Einwände werden gegen die
Mystik erhoben? gründlich beantworten.
I.
Grunderlebnis und Hauptpunkte der Mystik
A.
Von den G r u n d l a g e n d e s m y s t i s c h e n
E r l e b e n s
Als Antwort auf die Frage, was ist Mystik? stellen wir zuerst fest,
was Mystik nicht ist. Sie ist nicht das Schwärmerische, Nebelhafte,
Unklare, nicht das, was nur ungewisse Ahnung wäre und im unbe-
stimmbaren Gefühl stecken bliebe. Wer auf diese Weise die Mystik
abtun wollte, spräche wie ein Blinder von der Farbe. Er könnte auch
niemals erklären, wieso große mystische Zeitbewegungen entstehen
und die Bildung von Jahrhunderten, ja unmittelbar auch große
geschichtliche Ereignisse bestimmen konnten. Die neuplatonische
Mystik durchzog die Bildung der ausgehenden Antike, von den mit-
telalterlichen mystischen Wellen ging immer wieder eine innere Er-
neuerung des Christentums aus. Bliebe die Mystik im Unklaren
stecken, so könnte sie keine geschichtliche Macht werden.
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Mystik ist auch nicht, was man in neueren Zeiten Okkultismus,
Spiritismus, Theosophie, Anthroposophie und ähnliches nennt. Die
Erscheinungen, welche diesen Bewegungen zugrunde liegen, abzu-
leugnen, wie es unsere materialistische Wissenschaft tut, wäre un-
verständig. Denn sie sind zu allen Zeiten und bei allen Völkern ver-
bürgt. Aber die echte Mystik hat hier ihren Schwerpunkt nicht. Alle
jene Erscheinungen liegen nur im äußeren Umkreise des Mystischen
und sind, wie auch das Magische, überhaupt nicht notwendig damit
verbunden.