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Der G e g e n s a t z v o n S c h a u e n u n d W i s s e n
Das unmittelbare Erkennen, so sagt dieser Einwand, ist mit dem
Gegenstande Eins. / Zwischen dem Erkennenden und dem Dinge
wird nicht unterschieden. Das Schauen ist kein Wissen. Wie und in
welchem Sinne kann es da überhaupt zu einem begrifflichen Lehr-
gebäude der Mystik kommen?
Die Beantwortung dieser Frage ist in unserer früheren Bestim-
mung des Verhältnisses des Unmittelbaren zum Mittelbaren schon
enthalten. Schauen ist das Unmittelbare, Denken ist die Vermittel-
barung. Deutlich hat Schelling dieses Verhältnis in den „Weltaltern“
bestimmt. Er erkennt das Schauen als den Grund aller Wissenschaft
an, zeigt aber auch, wie der entfaltende und verarbeitende Begriff
sein Recht verlangt.
Schelling sagt, daß das Unmittelbare, in das der Mensch sich versenkt, in die
Tiefen des Weltwesens selbst hineinführe. „Dem Menschen muß ein Prinzip zuge-
standen werden, das außer und über der Welt ist; denn wie könnte er allein von
allen Geschöpfen den langen Weg der Entwicklungen von der Gegenwart bis in
die tiefste Nacht der Vergangenheit zurück verfolgen, er allein bis zum Anfange
der Zeiten aufsteigen, wenn in ihm nicht ein Prinzip von dem Anfange der Zeiten
wäre? Aus der Quelle der Dinge geschöpft und ihr gleich, hat die menschliche
Seele eine Mitwissenschaft der Schöpfung. Aber nicht frei ist im Menschen das
überweltliche Prinzip, noch in seiner uranfänglichen Lauterkeit, sondern an ein
anderes, geringeres Prinzip gebunden.. ."
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„Wer kann die Möglichkeit einer
solchen Versetzung des Menschen in sein überweltliches Prinzip und demnach eine
Erhöhung der Gemütskräfte ins Schauen schlechthin leugnen? Ein jedes physisches
und moralisches Ganzes bedarf zu seiner Erhaltung von Zeit zu Zeit der Reduk-
tion auf seinen innersten Anfang. Der Mensch verjüngt sich immer wieder und
wird neu selig durch das Einheitsgefühl seines Wesens ... nicht der Dichter allein,
auch der Philosoph hat seine Entzückungen. Er bedarf ihrer, um durch das Gefühl
der unbeschreiblichen Realität jener höheren Vorstellungen gegen die erzwungenen
Begriffe einer leeren und begeisterungslosen Dialektik verwahrt zu werden.“
2
„Ein anderes aber ist, die Beständigkeit dieses anschauenden Zustandes verlangen,
welches gegen die Natur und Bestimmung des jetzigen Lebens streitet. .. Wir
leben nicht im Schauen; unser Wissen ist Stückwerk, das heißt, es muß stüde-
weise nach Abteilungen und Abstufungen erzeugt werden, was nicht ohne alle
Reflexion geschehen kann. — Darum wird der Zweck im bloßen Schauen nicht
erreicht... In der äußeren Welt sieht ein jeder... das nämliche... diesen Ver-
lauf (äußerer Vorgänge) sieht der Bauer so gut wie der Gelehrte und kennt ihn
doch nicht eigentlich, weil er die Momente nicht auseinanderhalten, nicht geson-
dert ... betrachten kann. Ebenso kann der Mensch jene Folge von Prozessen, wo-
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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Weltalter, Sämtliche Werke, Abt. 1,
Bd 10, Stuttgart 1861, S. 200.
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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Weltalter, Sämtliche Werke, Abt. 1,
Bd 10, Stuttgart 1861, S. 203.