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Es gibt eben darum auch keine homogene, kein ungegliederte
Zeit, sondern nur gegliederte Zeit, das heißt ein Etwas, das sich
gliedernd verzeitlicht (nicht homogen verzeitlicht). In ihrer Er-
fülltheit, Gegliedertheit ist sie unstetig. Das Qualitative, das
Inhomogene ist unstetig, das Quantitative, Formelle der Zeit-
lichkeit stetig.
Da Gliederung und Gestalt notwendig sowohl einsinnig, also
nicht umkehrbar, wie endlich ist, ist alle Zeit nichtumkehrbar
und endlich.
Eine R e l a t i v i t ä t d e r Z e i t besteht nur in dem Sinne, als die ein-
zelnen Dinge und Ganzheiten von Dingen ihre eigenen Zeitmaße der Aus-
gliederung haben, die selbst nicht miteinander einerlei (also nur relativ zu-
einander) sind. Soferne aber alle Dinge und Ganzheiten in stets höheren Ganz-
heiten (schließlich im Weltall) als Glieder enthalten sind, ist die Ausgliederungs-
zeit der jeweils höheren Ganzheit der Vergleich für die gliedhafte Zeit der
unteren. Selbst wenn also auch, wie die s p e z i e l l e R e l a t i v i t ä t s -
t h e o r i e behauptet, die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse vom Standpunkte
verschiedener Beobachter (das heißt Dinge) grundsätzlich nicht festgestellt
werden könnte
1
; so g i b t e s d e n n o c h w a h r e G l e i c h z e i t i g k e i t ,
nämlich vom Standpunkte des höheren Dingsystemes aus, dem beide / Beobachter
angehören. Denn diese höhere Ganzheit hat ihre eigene Zeit, welche die der
Teile gliedhaft in sich begreift.
Über das V e r h ä l t n i s v o n Z e i t u n d R a u m siehe unten die „Vor-
rangsätze”, S. 98ff.
II. Der Stoff
Um zum Begriffe des Stoffes zu kommen, behandeln wir ihn
am besten zunächst im Vergleiche zum Geiste.
A.
V o r b e m e r k u n g ü b e r d a s
W e s e n d e s G e i s t e s
An dieser Stelle handelt es sich nicht um eine Entwicklung des
Geistesbegriffes, sondern um eine Erkenntnis des Wesens des
Stoffes. Wir dringen aber zu ihr am besten durch einen Ver-
gleich mit dem Geiste vor, wobei wir von einfachen inneren Er-
fahrungen ausgehen können.
1
Die spezielle Relativitätstheorie sagt: der bewegte Maßstab sei kürzer als
der ruhende, und eine bewegte Uhr gehe infolge ihrer Bewegung langsamer
als eine im Zustande der Ruhe. Ferner: zugleich mit dem Maßstabe schrumpft
nach der speziellen Relativitätstheorie in genau demselben Verhältnisse auch
der Raum zusammen. Vgl. Gerold von Gleich: Einsteins Relativitätstheorien
und physikalische Wirklichkeit, Leipzig 1930, S. 32. Es heißt dort, Einstein
sagt: „Die Uhr läuft also langsamer, wenn sie in der Nähe ponderabler
Massen aufgestellt ist” (S. 103).