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lichen, dem Überstofflichen im Stoffe, den immateriellen Wur-
zeln der Materie, näher kommen.
I.
Der Raum
A. Der R a u m , d a s t i e f s t e G e h e i m n i s
d e r N a t u r
Das tiefste Geheimnis der Natur ist der Raum. Die Räum-
lichkeit drückt allen Naturerscheinungen ihr Gepräge auf, und
durch die Räumlichkeit unterscheidet sich die Natur vom Geiste.
Die Zeitform hat die Natur mit dem Geiste gemeinsam, aber die
Raumform kommt ihr allein zu.
Durch die Räumlichkeit entsteht recht eigentlich erst die Zahl
(wie später zu beweisen
1
) und mit ihr die mathematische Be-
stimmbarkeit der Naturerscheinungen. Am gründlichen Ver-
ständnis des Raumes hängt daher das richtige Verständnis der
Naturerscheinungen.
Es g i b t z w e i M ö g l i c h k e i t e n , d e n R a u m z u
d e n k e n : erstens als leeren Raum und zweitens als Raum, in
dem sich etwas darstellt.
Die erste Möglichkeit faßt den Raum an sich, daß heißt als
leeren Raum. Der leere Raum ist grundsätzlich vor den Dingen
da. In ihn können die Dinge erst nachträglich hineinkommen,
und sie füllen ihn dann zum Teil aus. Hier ist der Raum reine
Form, leere Form, daher für sich selbst genommen gleichartig
(homogen), daher auch euklidisch.
Die zweite Möglichkeit besteht darin: den Raum als eine Tat
zu begreifen, als die Tat eines Vorräumlichen, das sich räumlich
darstellt, kurz gesagt: einer Wesenheit, die sich verräumlicht.
Dieser Raum ist keine reine Form, er ist nirgends leer, sondern
notwendig überall mit Eigenschaften erfüllt, weil er ja in der /
Vereigenschaftung, das ist der Darstellung eines Etwas, entsteht.
Was kein leerer und bloß formeller, abstrakter Raum ist, kann
auch kein gleichartiger, kein homogener, euklidischer Raum sein.
Zwischen diesen beiden Möglichkeiten, die nun näher erklärt
und geprüft werden sollen, muß man wählen, andere gibt es
nicht. Eine gründliche Erörterung ist notwendig, weil am rich-
tigen Verständnis des Raumbegriffes alles hängt.
1
Siehe unten S. 57ff.