Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6674 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6674 / 9133 Next Page
Page Background

50

[50/51]

keine anderen als größenmäßige Bestimmtheiten geschöpft wer-

den. Schließlich ergibt sich die G e s t a l t als Ergebnis der

eigenschaftlichen Bestimmtheit des Raumes. Umgekehrt wäre

auch wieder vom Raume an sich aus die Gestalt nicht zu ent-

wickeln.

G. Die G r u n d e i g e n s c h a f t e n d e s R a u m e s

1.

Grundsätzliche Unterscheidung des Räumlichen

vom Geistigen

Die schon früher festgestellte Verschiedenheit des Stofflichen

vom Geistigen

1

wirft auch Licht auf die grundlegende Ver-

schiedenheit der Räumlichkeit von aller Geistigkeit. Man hat

den Raum wohl als Nebeneinander bestimmt (so / Leibniz

2

), aber

damit ist der Raum nicht erklärt, sondern im Grunde nur eine

Tautologie ausgesprochen. Denn es fragt sich doch noch: was

für eine Art von Nebeneinander, die geistige oder räumliche?

Es gibt ja auch im Geiste ein „Nebeneinander“, z. B. von Vor-

stellungen und Gedanken im unlogischen, verworrenen Denken

oder von Gefühlen im „zerrissenen“ Gefühlsleben. Hier be-

steht ein verhältnismäßig zusammenhangloses, verhältnismäßig

getrenntes Nebeneinander von Gedanken und Gefühlen. Denn

beim unlogischen Denken und widersprechenden Fühlen, über-

haupt bei allem Nichtfolgerichtigsein und beim Irresein sind die

Denkbestandteile recht unverbunden nebeneinander — aber

darum wird doch kein Raum daraus. Der Geist bleibt dabei, was

er ist, unräumlich. — Wir kommen also wie früher zu dem Er-

gebnisse: Der Raum gehört nicht der geistigen Seinsebene, son-

dern der Sinnlichkeit an. Der R a u m i s t e i n e U r -

e r s c h e i n u n g . Sie läßt sich daher auch nur nachträglich,

sinnlich erfahren, niemals durch geistige Bestimmungen er-

kennbar und begreiflich machen. Darum kann der Blindgeborene

nie wissen, was Raum wirklich ist, er kann die Räumlichkeit

nur durch Entsprechungen, nur mittelbar erfahren. Auch dieses

Mittelbar stammt mehr aus dem Tastsinne und Gehörsinne als

aus dem Geiste. Denn aus sich selbst kann der Geist, wie ge-

zeigt, eben gerade dasjenige nicht hernehmen, was die Räum-

1 Siehe oben S. 41 ff. und 47ff.

2

Vgl.: „Der Raum ist die Ordnung des Koexistierenden” (Hauptschriften

zur Grundlegung der Philosophie, Bd 1, Leipzig 1904, S. 54).