140
[155/156]
Denken ist das nicht zu verstehen, sondern nur aus Einem: der
materialistischen Einstellung der letzten drei Jahrhunderte.
In der A b g r e n z u n g der Dinge sind einige Schwierig-
keiten zu überwinden. Um den Dingbegriff richtig zu fassen, muß
man sich in Physik und Chemie daran gewöhnen, die g r o ß e n
A u s m a ß e d e r N a t u r zu berücksichtigen. Daß die höheren
Stufen dem Dingbegriffe unterliegen, ist augenfällig. Das Welt-
all mit Gattungen und Arten, das Sonnensystem, die Erde mit
dem Monde und ihren Unterganzheiten (Erdteilen, konkreten
Landschaften, Körpergesellschaften) — das alles sind arteigene
Ganzheiten, also Dinge höherer Stufen. Wo aber sind die letzten
Stufen, die letzten Glieder, also die im engeren Sinne so
genannten Dinge? Überall dort, wo sich eine e i g e n e W i r k -
e i n h e i t , eigene Gegenseitigkeit zeigt! Daher wohl der ein-
zelne Kristall, aber nicht das einzelne Glas Wasser ein Ding ist,
sondern Wasser bestimmter Art, das bestimmte Eigenschaften
in bestimmter Gegenseitigkeit zeigt, z. B. einer Quelle. Über-
ragend wichtig ist gegenüber dem individuellen Gegenstande
die Art und Unterart, der er angehört.
Dächte man nach heutiger Art, so wären die angeblichen
Korpuskeln die einzigen Dinge, die letzten „Bausteine“, welche
(ganzheitlich gesehen) den Stufenbau der Dinge nach unten hin
begrenzten. Da wir die Atome aber als erste Gegebenheiten /
leugnen müssen, kann von dieser inneren Abstufung vom Stand-
punkte der Ganzheit aus keine Rede sein.
Daß die Dinge verhältnismäßig selbständige Wirkeinheiten
bilden, äußert sich:
1.
in der schon besprochenen Gegenseitigkeit der Eigen-
schaften
1
;
2.
in der Einheit ihrer Räumlichkeit, der Gestalt. Spuren-
weise hat jedes Ding Gestalt, selbst das sogenannte amorphe
hat noch inneres Gefüge, und fast alle Stoffe sind kristallinisch
oder geradewegs kristallisch (wie sich früher ergab
2
).
Die meisten empirischen Gegenstände allerdings (z. B. Mine-
ralien, Erden) sind selbst keine Dinge, sondern nur Anhäufungen
solcher, nämlich kleiner Kriställchen, denn sie sind kristallinisch.
1
Siehe oben S. 133f.
2
Siehe oben S. 70ff.