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Als bloße Anhäufungen von Dingen sind sie natürlich un-

empfindlich für Gestalt. Ihre Teilchen aber haben Gestalt und

sind daher Dinge. Im strengsten Sinne wären darnach nur die-

jenigen physischen Erscheinungen Dinge, die gegen ihre Ge-

staltungsänderung nicht ganz gleichgültig sind. Eine wesentliche

Erscheinung ist daher: die G e s t a l t e m p f i n d l i c h k e i t

d e r N a t u r d i n g e . Die sich verräumlichenden Wesenheiten

drängen zu Bildern, drängen zur Gestalt, ihre Eigenschaften sind

also ohne Raumgestalt nicht möglich. Daraus folgt: Eigenschaft

ist zwar vor Gestalt, aber Eigenschaft stellt sich in Gestalt dar.

Darum ist es auch nicht richtig, daß es eine Physik ohne Lehre

von der Gestaltempfindlichkeit der Dinge gäbe. Selbst in der

rein mengenhaften Auffassung der Naturvorgänge, welche die

mechanische Physik kennzeichnet, kommt die Gestaltempfind-

lichkeit in versteckter Art vor: Wärme und Gestaltänderung;

Elektrizität und Dissoziation; Elektromagnetismus und Verlauf

der Kraftlinien; Licht und Geradlinigkeit (oder Wellenförmig-

keit, „Ablenkung“) der Fortpflanzung — das sind einige Bei-

spiele für viele andere. Freilich zeigen auch diese Beispiele klar,

daß die Physik den Gestaltbegriff umgehen und an seine Stelle /

nur mengenhafte Erscheinungen setzen will (während dagegen

Goethe zeigte, daß Farbe an Raumgestalt geknüpft sei, denn

sie entsteht an stofflichen Dingen, die notwendig Gestalt haben)

1

.

Zugleich will sie ja damit auch den Dingbegriff selbst auflösen.

Nun kann man dem rein mengenhaften Verfahren diesen Vor-

gang allerdings nicht verwehren. Was aber daran gerügt werden

muß, ist, daß die Unterstellung der reinen Mengenhaftigkeit

der Naturvorgänge auch die L e u g n u n g alles Nichtmengen-

haften, die Leugnung der Gestalt, aller Ganzheit überhaupt,

auch der vermittelten, und damit auch alles echt Dinglichen in

der Natur zur Folge hat. Gerade die angedeuteten Erscheinungen

beweisen aber, daß die Physik Dinglichkeit und Gestaltung vor-

findet, sobald sie die rein mengenhafte Betrachtung verläßt.

1.

Die Einheit des Dinges beruht zuletzt darauf, daß es von

einem bestimmten A u s g l i e d e r u n g s g r u n d e gesetzt wird.

Dieser bildet seine vorräumliche Mitte, sein ideelles Zentrum.

Den Begriff der Ausgliederungsmitte (des Zentrums) anzu-

erkennen, ist der heutigen Physik allerdings unmöglich. Es

1

Siehe oben S. 65ff. und öfter.