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„Jâ holz unde stein unde bein unde alliu greselîn diu hânt alle
sament dâ ein gewesen in der êrstekeit
1
.“
„Alle creaturen wolten gotte nach sprechen in allen iren wer-
ken
2
.“
/
„Wizzent, alle crêatûren die jagent unde wirkent nâtûrlich dar
umbe, daz sie gote gelîch werden. Der himel lüffe niemer, enjagete
oder ensuohte er niht got oder ein gelîchnisse gotes. Enwêre got
niht in allen dingen, diu nâtûre enwürhte noch enbegerte nihtes
an dekeime dinge; wan ez sî dir liep oder leit, du wizzest es oder
du wizzest es niht (doch heimlich): diu nâtûre in dem innigosten
diu suochet unde meinet got. Nie dekeinen menschen geturste sô
sêre, der im trinken gebe, er begerte sîn niht und enwêre etwaz
gotes dar inne niht.
3
“
„Ja got selbe ruowet niht dâ, dâ er ist der erste begin, mêr: er
ruowet dâ, dâ er ist ein ende und ein rasten alles wesens, niht daz
diz wesen dâ ze nihte werde, mêr: ez wirt dâ vollebrâht nach sîner
hoehsten vollekomenheit.
4
“
1 „Holz und Stein und Bein und alle Gräselein, die haben alle zusammen ein
Wesen in der Erstigkeit [im Uranfang].” Meister Eckhart, herausgegeben von
Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 334, Zeile 7f.
2
„Alle Kreaturen wollen Gott nachsprechen in allen ihren Werken.” Wil-
helm Wackernagel: Altdeutsche Predigten und Gebete, Basel 1876, Meister Ecke-
hart, S. 160, Zeile 58f.
3
„Wisset, alle Kreaturen, die jagen und wirken natürlich [von Natur aus]
darum, daß sie Gott gleich werden. Der Himmel liefe nimmer [um], jagete oder
suchete er nicht Gott oder ein Gleichnis Gottes. Wäre Gott nicht in allen Dingen,
die Natur wirkte [weder] noch begehrte etwas an einem Dinge; denn, es sei dir
lieb oder leid, du wissest es oder du wissest es nicht ([oder] doch heimlich): die
Natur in dem Innigsten [Innersten], die suchet und meinet Gott. Dürstete ein
Mensch noch so sehr, er begehrte keinen Trunk Wassers, wäre nicht ein Tropfen
Gottes darin.” Meister Eckhart, ebenda, S. 143, Zeile 19ff.
4
„Ja, Gott selber ruht nicht da, da er ist der erste Beginn, [vielmehr: er ruht
da, da er ist ein Ende und ein Rasten alles Wesens [Seins]; nicht daß dies Wesen
da zunichte werde, [vielmehr: cs wird da vollbracht [vollendet] nach seiner
höchsten Vollkommenheit.” Meister Eckhart, ebenda, S. 288, Zeile 23ff.