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keitslehre mit Hilfe einer ganzheitlichen Begriffsordnung. In diesem er-
sten metaphysischen Ansatz versucht er, die platonische Ideenlehre, die
aristotelische Formenlehre mit der Kategorienlehre des deutschen Ide-
alismus durch seine ganzheitlichen Kategorien zu verbinden.
In der umfassenden Darstellung seines philosophischen Systems,
dem
„Schöpfungsgang des Geistes“, entfaltet Spann seine Metaphysik der
gesamten Wirklichkeit. Sie soll, wie der Untertitel sagt, der Wieder-
herstellung des Idealismus auf allen Gebieten der Philosophie dienen.
Der 1928 erschienene erste Teil des großen Werkes enthält: die
Seinslehre, die Gotteslehre, die Geisteslehre, die Naturphilosophie und
die Ideenlehre. Die in ihm enthaltene knappe Erörterung der Natur-
philosophie behandelt die Fragenkreise: Stoff, Zeit und Raum. Der
geplante zweite Band der Gesamtdarstellung der Philosophie Othmar
Spanns kam nicht mehr zur Ausführung, da Spann, veranlaßt durch
die Problemlage seiner Zeit, die wichtigsten seiner Teile, wie die
Gesellschaftsphilosophie, die Geschichtsphilosophie und die Religions-
philosophie, in großen Einzelwerken veröffentlichte.
Aber auch einzelne Gebiete der Philosophie, die schon im ersten
Teil des „Schöpfungsganges“ behandelt worden waren, wie die Geistes-
lehre und Naturphilosophie, erfuhren nun in Einzelwerken eine er-
weiterte und vertiefte Bearbeitung, so 1935 die Geisteslehre in „Erkenne
Dich selbst, Eine Geistesphilosophie als Lehre vom Menschen und
seiner Weltstellung“ und 1937 die Naturphilosophie.
In diesem nun wieder neu vorliegenden Werke will Spann, der der
Natur so verbunden war wie kaum ein Denker seit Schelling, die
Natur „in ihrer Ganzheit ergreifen“, ihren „wahren Begriff wieder-
erobern“. Er sagt von seiner Naturphilosophie: „Dieses Buch zieht aus,
den wahren Begriff der Natur wiederzuerobern, den Begriff der
I n n e r l i c h k e i t der Natur.“
1
Diese kühne Metaphysik der Natur will das Eigensein der Natur
und ihrer Ordnung erfassen und vermitteln. Dies kann nach Spanns
Überzeugung exakte Naturwissenschaft nie leisten. Sie muß ihrem
Grundansatz nach dem bloß Größenhaften und dadurch dem bloß
Äußeren der Natur verhaftet bleiben. Sie hat zwar „die äußere
Kenntnis und die praktische Nutzung der stofflichen Welt so un-
geheuer bereichert
2
“, aber nie das Letzte und Entscheidende aller
Naturerkenntnis, das Erfassen der Eigenart und der Wesenszüge der
Natur erstrebt und erreicht. Sie gibt wohl wichtige Teilaspekte, aber
es war verfehlt, diese zum Totalaspekt zu machen, „die Mengen fälsch-
lich als das Erste zu nehmen
3
“.
Die für die exakten Naturwissenschaften maßgebenden quanti-
tativen Bestimmungen und Gesetze der Natur betrachtet Spann als
1
Naturphilosophie, S. 4f.
2
Naturphilosophie, S. 7.
3
Naturphilosophie, S. 14.