N a c h w o r t
von
Ulrich Schöndorfer
„Die Natur in ihrer Ganzheit zu ergreifen,
ihr Mysterium niemals zu verleugnen und sie
doch in ihren einzelnen Erscheinungen zu er-
forschen, kann und darf kein Widerspruch sein.
Diese Forderung ist es, der wir Genüge leisten
müssen . .. “
(Othmar Spann: Naturphilosophie, S. 4)
Der Philosoph Othmar Spann stellt sich bewußt in den lebendigen
Denkzusammenhang der großen idealistischen Philosophie des Abend-
landes. In seinem philosophischen Hauptwerk „Der Schöpfungsgang
des Geistes“ sagt er, er möchte sich nicht vermessen, neue Wahrheiten
den alten hinzuzufügen, er will nur die alten neu wirksam machen.
„Es gibt“, führt er an derselben Stelle weiter aus, „überhaupt keine
neue Grundwahrheit in der Geschichte der Philosophie. Unversieglich
sind die Quellen des Geistes, und es sind immer dieselben Urgedanken,
die er ans Licht bringt. Was wir vermögen, ist lediglich, die alten
Wahrheiten so auszusprechen, wie sie aus den uns und unserer Zeit
eigenen ... Fragen ... folgen.
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“
Dieses bewußte Sicheinfügen in den Zusammenhang der abend-
ländischen lidealist/ischen Philosophie ist beim Studium und bei jeder
Beurteilung der Philosophie Spanns zu berücksichtigen. Spann will
den Ertrag dieser wahren Philosophia perennis unserer Zeit neu er-
schließen und ihre Erkenntnisse als Antwort auf die Grundprobleme
der Gegenwart neu vermitteln.
Es ist, wie er sagt, nur ein kleiner, aber weit ausstrahlender Kreis
von Fragen, um die die idealistische Philosophie gerungen hat und die
sie einer Lösung zuführte. Zu ihnen gehört im Rahmen der Erfassung
der Ordnungen der gesamten Wirklichkeit die Erkenntnis der Natur
als eines sinnvollen Ganzen.
Schon Spanns erstes philosophisches Werk, die „Kategorienlehre“
(1. Auflage 1924, 2. Auflage 1939), ist das große Konzept einer Wirklich-
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Der Schöpfungsgang des Geistes, Jena 1928, S. XXIV.
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