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2.
Wie kommt der Mensch zu jenen bestimmten A u s g e s t a l -
t u n g e n oder Konkretisierungen in seinem Verhältnis zu Gott,
welche erst eine wirkliche, geschichtliche Religion bedeuten?
Die Beantwortung beider Fragen — die merkwürdigerweise in
der bisherigen Religionsphilosophie und Religionsgeschichte noch
nicht einmal gestellt wurden — dünkt uns entscheidend für das
Verständnis der Religionen sowie insbesondere für die Möglichkeit,
die Vielheit der Religionen zu entwirren, die Religionsgeschichte
in ihren Grundlagen zu verstehen!
Die Antwort auf die erste Frage ist mit allem Bisherigen schon
gegeben: Religion ist Rückverbundenheitsbewußtsein und in die-
sem ist das Übersinnliche u n m i t t e l b a r enthalten. Die sinn-
liche Erfahrung bildet nur den Anlaß, die Vorbedingung zur Ent-
wicklung des Rückverbundenheitsbewußtseins.
Die Antwort auf die zweite große Frage, nämlich nach den
Quellen des Besonderen und Realen, das heißt der Konkretisierun-
gen in der Religion kann ebenfalls nur im Vollzug des Rückver-
bundenheitsbewußtseins gefunden werden. Die nähere Betrach-
tung ergibt hier nun zwei Stufen oder gleichsam Haltestellen,
welche das Rückverbundenheitsbewußtsein bei seinem Vollzug zu-
rücklegt: 1. Die Rückverbundenheit im Höchsten ergibt das Be-
wußtsein des höchsten Rückverbindenden oder Gottes; wir nennen
es die m y s t i s c h e E r f a h r u n g ; 2. die Rückver- / bundenheit
in niederen Zentren — vor allem der Natur — ergibt das Bewußt-
sein niederer rückverbindender Mächte oder Zentren: Wir nennen
es die m a g i s c h e E r f a h r u n g .
Das wird erst später ausführlich zu erläutern sein. Vorläufig möge
folgendes Bild den Unterschied des mystischen und des magischen
Erlebens kennzeichnen (wobei es sich natürlich nur um eine sinn-
bildliche und schematisierende Darstellung handelt):