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Eckehart, Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Baader im Licht

der Geschichte sich auf deren E i n g e b u n g e n gründen, und

sehen sie das Tiefste des Geisteslebens der Menschheit bestimmen.

Dazu kommen auch die Eingebungen in den fachlichen Wissen-

schaften, durch welche in den letzten Jahrhunderten Johannes

Kepler, Galileo Galilei, Sir Isaac Newton, die großen Mathematiker,

Michael Faraday, Robert / Mayer und viele andere offensichtlich

die neuen Lehren gestalten. Und ebenso steht es in der Welt der

K u n s t , wo von Homer, Phidias, Michelangelo, Grünewald bis

zu Moritz von Schwind, von Bach bis Mozart und Schubert, von

Calderon, Shakespeare, Goethe und Schiller bis zur Romantik und

ihren Schulen die hohe Eingebung für alle sichtbar am Werk ist.

Diesem steht gegenüber das Dämonische, Finstere.

Und in der Mitte finden wir die Ohnmacht, das Unvermögen der

großen Menge in allen geistigen und gesellschaftlichen Schichten, den

Philister, der nicht gut noch schlecht ist.

Das ist das Geheimnis der Geschichte, welches in ihrem Antlitz

zu lesen ist.

Durch Einflüsse von oben wird der Grund des Guten, Großen,

Geistigen, Schönen in der Geschichte, durch Unvermögen des Ge-

wöhnlichen und durch Dämonie des Schlechten gelegt. Von hier

aus zeigt sich abermals die Einheit der Religionsgeschichte, ja der

Geschichte überhaupt.

Wenn die b i s h e r i g e R e l i g i o n s g e s c h i c h t s s c h r e i b u n g , V ö l -

k e r k u n d e u n d R e l i g i o n s s o z i o l o g i e die Einheit aller Religionen,

in ihrem mystischen Grund nicht hervortreten läßt, so liegt dies daran, daß sie

naturalistisch betrieben wird. Dadurch betrachtet sie die Religionen möglichst

äußerlich. Sie sind ihr ein Inbegriff naiver Irrtümer und tollsten Aberglaubens.

Kennzeichnend dafür ist Max Webers Definition: „Priester — der in einem Be-

trieb zur Beeinflussung der Götter Angestellte“, während der Zauberer „von

Fall zu Fall“ zaubert

1

. Gewiß ist auch für diese geradezu paradoxe Auffassung

noch irgendwo Raum in der Geschichte, aber sie trifft nur die äußerste Hülle,

nicht den Kern.

Aus der oben begründeten Ansicht der Offenbarung folgt dagegen für die

Religionsgeschichte, daß sie in erster Linie eine Geschichte der grundlegenden

Eingebungen zu sein hätte, in denen die religiösen Offenbarungen in die Welt

treten, ferner der hierauf gründenden konkreten Gestaltungen der mystischen

Gotteserfahrungen sowie ferner der niederen Mystik und der Magie. Erst weiter-

hin kommt der Überbau in Betracht: Mythologie, Dogma, Kultur.

1

Vgl. Max Weber: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und

Mächte, Tübingen 1921, S. 227.

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