[278/279]
307
Eckehart, Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Baader im Licht
der Geschichte sich auf deren E i n g e b u n g e n gründen, und
sehen sie das Tiefste des Geisteslebens der Menschheit bestimmen.
Dazu kommen auch die Eingebungen in den fachlichen Wissen-
schaften, durch welche in den letzten Jahrhunderten Johannes
Kepler, Galileo Galilei, Sir Isaac Newton, die großen Mathematiker,
Michael Faraday, Robert / Mayer und viele andere offensichtlich
die neuen Lehren gestalten. Und ebenso steht es in der Welt der
K u n s t , wo von Homer, Phidias, Michelangelo, Grünewald bis
zu Moritz von Schwind, von Bach bis Mozart und Schubert, von
Calderon, Shakespeare, Goethe und Schiller bis zur Romantik und
ihren Schulen die hohe Eingebung für alle sichtbar am Werk ist.
Diesem steht gegenüber das Dämonische, Finstere.
Und in der Mitte finden wir die Ohnmacht, das Unvermögen der
großen Menge in allen geistigen und gesellschaftlichen Schichten, den
Philister, der nicht gut noch schlecht ist.
Das ist das Geheimnis der Geschichte, welches in ihrem Antlitz
zu lesen ist.
Durch Einflüsse von oben wird der Grund des Guten, Großen,
Geistigen, Schönen in der Geschichte, durch Unvermögen des Ge-
wöhnlichen und durch Dämonie des Schlechten gelegt. Von hier
aus zeigt sich abermals die Einheit der Religionsgeschichte, ja der
Geschichte überhaupt.
Wenn die b i s h e r i g e R e l i g i o n s g e s c h i c h t s s c h r e i b u n g , V ö l -
k e r k u n d e u n d R e l i g i o n s s o z i o l o g i e die Einheit aller Religionen,
in ihrem mystischen Grund nicht hervortreten läßt, so liegt dies daran, daß sie
naturalistisch betrieben wird. Dadurch betrachtet sie die Religionen möglichst
äußerlich. Sie sind ihr ein Inbegriff naiver Irrtümer und tollsten Aberglaubens.
Kennzeichnend dafür ist Max Webers Definition: „Priester — der in einem Be-
trieb zur Beeinflussung der Götter Angestellte“, während der Zauberer „von
Fall zu Fall“ zaubert
1
. Gewiß ist auch für diese geradezu paradoxe Auffassung
noch irgendwo Raum in der Geschichte, aber sie trifft nur die äußerste Hülle,
nicht den Kern.
Aus der oben begründeten Ansicht der Offenbarung folgt dagegen für die
Religionsgeschichte, daß sie in erster Linie eine Geschichte der grundlegenden
Eingebungen zu sein hätte, in denen die religiösen Offenbarungen in die Welt
treten, ferner der hierauf gründenden konkreten Gestaltungen der mystischen
Gotteserfahrungen sowie ferner der niederen Mystik und der Magie. Erst weiter-
hin kommt der Überbau in Betracht: Mythologie, Dogma, Kultur.
1
Vgl. Max Weber: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und
Mächte, Tübingen 1921, S. 227.
20*