Das Innerste und das Außenwerk der geschichtlichen Religionen
E i n e W e g l e i t u n g z u m S t u d i u m d e r
„ R e l i g i o n s p h i l o s o p h i e “
von
Walter Heinrich
Da die „Religionsphilosophie“ als das systematische Abschlußwerk
der Ganzheitslehre schwer zu lesen ist, sei im folgenden eine Weg-
leitung versucht, die dem Leser, besonders dem Studierenden viel-
leicht über manche Schwierigkeiten hinweghelfen kann.
Die Religionssoziologie hat es bisher demjenigen, der über die
religiösen Zustände fremder Länder berichten soll — seien deren
Bewohner Abkömmlinge von hohen Kulturen oder Naturvölker —
wahrlich nicht leicht gemacht. Sie hat ein unüberschaubares und un-
durchdringliches Material an verschiedenartigen religiösen Vorstel-
lungen, Kulten und Erscheinungsformen zusammengetragen, die von
ihr erfundenen Theorien zur Sichtung und Erklärung dieses gewal-
tigen Stoffes aber blieben durchaus unbefriedigend: Animismus und
Präanimismus, Totemismus und Fetischismus versagten für die Na-
turvölker (so widerrief z. B. L. Lévy-Bruehl, wie aus seinem post-
hum veröffentlichten Tagebuch hervorgeht, seinen Prälogismus,
demzufolge das mystische Element der Religionen ein Überbleibsel
einer überwundenen, primitiven Stufe menschlicher Geistesentwick-
lung sei, die eben nur noch bei gewissen, auf einer niederen, „prä-
logischen und mystischen“ Stufe befindlichen Naturvölkern nach-
weisbar wäre). Ebensowenig befriedigten die mannigfachen positi-
vistischen und spiritualistischen Erklärungsversuche für die höheren
Mythologien und Religionen.