306
Probleme und der weiterführenden und fruchtbaren Forschungs-
wege.
V o r a u s s e t z u n g der richtigen Frage aber ist die Er-
k e n n t n i s der sich stellenden A u s g l i e d e r u n g s e r f o r -
d e r n i s s e , des noch F e h l e n d e n , der gliedhaften Problem-
zusammenhänge.
In begrenztem Umfang kann auch f a l s c h e Fragestellung
fruchtbar werden, denn sie kann die Erkenntnis erschließen, wie
es n i c h t i s t , n o c h s e i n k a n n ; sie kann zur Fragestellung
n e u e r Tatsachen, die d i e s beweisen, sie kann zur Umkehr und
dadurch zur Erkenntnis der r i c h t i g e n Fragestellung führen.
Ein Beispiel hiefür ist Spann der D a r w i n i s m u s , der die
Entfaltung der Arten mechanisch, durch automatische Auslese im
Kampf ums Dasein erklären wollte. „Er behauptete zwar etwas
Falsches und lenkte die Forschung in eine falsche Rechtung“
1
(da er
das Höhere aus dem Niederen erklären wollte, während es „ein
durch die ganze Welt hindurchgehendes Gesetz ist, daß das Niedere
nur aus dem Höheren, niemals aber das Höhere aus dem Niederen
hervorgehe“
2
), aber f a l s c h war die von ihm gestellte Frage
nicht, sie wies auf einen bisher vernachlässigten Problemkreis hin.
Freilich führte Darwins oberflächlicher Lösungsversuch zum Ent-
wicklungswahn des 19. und 20. Jahrhunderts mit all seinen be-
denklichen, ja schrecklichen Folgen.
Die Ausgliederungserfordernisse der Gegenstände und Sachver-
halte bestimmen das forschende Denken. Freilich: „die kostbare
Perle der Eingebung wird nicht von allen Forschern zu jeder Zeit
gefunden“
3
.
An die Behandlung des Problems der richtigen Frage schließt
Spann die Untersuchung des Irrtums. Als Hauptgrund des Irrtums
erkennt er die Oberflächlichkeit des Denkens, die sich oft aus wil-
lentlicher Beeinflussung des Denkens ergibt. „Jedes Irrlehre ist
oberflächlich, insoferne sie nur e i n e Seite des Tatbestandes sieht,
aber diese Oberflächlichkeit und Einseitigkeit hat nicht primär im
1
Siehe oben S. 247.
2
Siehe oben S.41.
3
Siehe oben S.248.