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Daher gibt es für Spann nicht ein- oder mehrspitzige Begriffs-
pyramiden, wie für die Logik der Stoa und die neuzeitliche Logik
seit Hamilton, sondern eine ganzheitliche Begriffsordnung, die durch
die Ausgliederungsordnung wieder ruht auf den logischen Prinzipien
der I d e n t i t ä t (des F e s t h a l t e n s des Begriffsgegenstandes)
und der M i t g e d a c h t h e i t (der Gliederungszusammenhange
des Begriffs).
Der Begriff ist Spann die grundlegende, primäre Denkganzheit,
das U r t e i l hingegen eine sekundäre Denkform, ein Abgeleitetes,
„ d i e A u s g l i e d e r u n g d e s G e s a m t g e g e n s t a n d e s
(eines Begriffes) in T e i l g e g e n s t ä n d e , w o b e i s i c h d e r
G e s a m t g e g e n s t a n d a l s S u b j e k t , d e r T e i l -
g e g e n s t a n d a l s P r ä d i k a t d a r s t e l l t “
1
. Damit erreicht
Spann eine organische Einordnung der Urteile in den logischen Ge-
samtbereich. In sachlicher Analyse deckt er den inneren Wider-
spruch der Auffassung der zeitgenössischen Logik vom V o r r a n g
des Urteils vom Begriff auf. Ebenso weist er die Widersprüche und
Schwächen der Kantischen Urteilseinteilung und der aus ihr ab-
geleiteten Kategorienlehre nach.
Aus der ganzheitlichen Auffassung der logischen Ordnung ergibt
sich Spann der a n a l y t i s c h e Charakter aller Urteile, er zeigt
aber auch auf, daß unbeschadet dessen alle „Urteile“ auf syntheti-
schen Leistungen des Denkens im Sinne Kants beruhen
2
.
Auch mit dem Versuch der mathematischen Logik, die Im-
p l i k a t i o n (oder Einschließung) zur Grundlage der Logik zu
machen, setzt sich Spann in seiner Urteilslehre auseinander. Er weist
nach, daß die Implikation als „präziser Ausdruck des h y p o t h e -
t i s c h e n U r t e i l s “
3
bereits eine a b g e l e i t e t e U r t e i l s -
g e s t a l t ist.
Aus der Auffassung des Urteils „als Entfaltung des (in der Ein-
gebung empfangenden) Gesamtgegenstandes durch Zerlegung in
Teilgegenstände“
4
ergibt sich Spann auch die Bedeutung der logi-
schen Grundsätze für die Feststellung von Urteilsfehlern und Ur-
teilsunvollkommenheiten.
1
Siehe oben S. 121.
2
Siehe oben S. 147.
3
Gerhard Stammler: Begriff, Urteil, Schluß, Halle 1928, S. 202 f.
4
Siehe oben S. 153.