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Die herrschenden logischen Richtungen charakterisiert Spann
durch ihre Bewertung der logischen Grundformen: Die empiristisch-
psychologische Logik sieht im Urteil die primäre logische Grund-
form, weil ihr die Sinneserfahrung die Quelle aller Erkenntnis und
das Urteil „eine Verbindung von aus der Erfahrung stammenden
Vorstellungsinhalten ist“
1
. Dem Schluß kommt in dieser Logik nur
sekundäre Bedeutung zu.
Die von Spann vertretene ganzheitlich-idealistische Logik sieht
die tragende logische Grundform im B e g r i f f , da ihr die Ein-
gebung, in der die Begriffsbildung grundgelegt ist, „die tiefste Quelle
aller Erkenntnis“
2
darstellt. Die Eingebung wird durch Urteil und
Schluß zum ihr adäquaten Begriff entfaltet.
Die formale und ebenso die mathematische Logik sehen in den
Schlußformen die wichtigste Quelle der Erkenntnis und in der
Schlußlehre das Fundament der Logik.
Als die entscheidende und schöpferische Aufgabe des Schlußver-
fahrens erkennt Spann das F i n d e n u n d Z u s a m m e n o r d -
n e n d e r P r ä m i s s e n z u r F o l g e r u n g s r e i f e . Dies über-
rascht zunächst, da die traditionelle Logik im Schluß gewöhnlich nur
die Ableitung der conclusio aus den Prämissen verstand. Aber die
Geschichte der Forschung bestätigt Spanns Auffassung. Immer steht
am Beginn neuer, durch Schlüsse gefundener Erkenntnis die Ein-
gebung, die das Ziel, die neue Erkenntnis, erahnen läßt, auf sie
folgt die schwere, schöpferische Arbeit des Findens und Verbindens
der Prämissen zum Schluß, durch den dann die Eingebung zur vollen
Entfaltung kommt und erwiesen wird. An der Entwicklung der
neuzeitlichen Astrophysik von Kopernikus bis Newton zeigt Spann
auf, „daß stets die einzelnen Urteile oder Gedanken zur organischen
F o l g e r u n g s r e i f e zusammengeordnet werden müssen, ehe die
Schlußfolgerung gezogen werden kann; dann freilich ist die Schluß-
folgerung selbst das einfachste, sich wie von selbst verstehende Er-
gebnis“
3
.
Das Finden und Ordnen der Prämissen zur Folgerungsreife ist
das Zentralproblem, die Schicksalsfrage des Syllogismus. Aus der
1
Siehe oben S. 155.
2
Siehe oben S. 155.
3
Siehe oben S. 159 f.