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echt!) Eine ähnliche, wenn auch nicht so dramatische Entwicklung

vollzog sich in der Germanistik. Als der Archivrat Ludwig K e l -

l e r die lateinische Rechtfertigungsschrift Meister Eckeharts auf-

fand, die als erster Hermann B ü t t n e r benützte, wurde durch

diese eine Anzahl von Predigten als echt bezeugt

1

, besonders als sie

später A u g u s t i n u s D a n i e l s 1923 herausgab

2

. Und als

endlich von 1936 an die große Ausgabe der lateinischen Schriften

und Predigten, herausgegeben von der Deutschen Forschungsgemein-

schaft

3

zu erscheinen begann — sie ist leider bis heute nicht ab-

geschlossen —, traten abermals viele übereinstimmende Stellen, na-

mentlich der lateinischen und deutschen Predigten, zutage, welche

Ernst Benz in seiner bewundernswerten Ausgabe reichlich ersichtlich

machte.

Da die deutschen Predigten meistens Nachschriften sind — aller-

dings nicht alle, z. B. nicht Predigt IX bei Pfeiffer —, und da sie

überdies öfters Zusammenstellungen, ja Klitterungen aus mehreren

Stücken darstellen, haben wir allerdings im e i n z e l n e n der

Pfeifferischen Fassungen nur selten genaue, völlig maßgebende Wort-

laute vor uns; aber im großen und ganzen wurde die Kritik an

Pfeiffer stark übertrieben. Gegen die herrschende Meinung scheint es

mir vielmehr sicher, daß das a l l e r m e i s t e v o n d e m ,

w a s P f e i f f e r v o r l e g t e , e c h t s e i !

Eine Verwirrung der Echtheitsfragen lag auch darin, daß man meinte, dog-

matisch-orthodoxe Stücke — wie z. B. der Traktat I bei Pfeiffer „Von den

XII Nutzen unsers Herren lichames“ — könnten unmöglich von Meister Ecke-

hart stammen. Je gründlicher man aber Meister Eckehart studiert, um so mehr

1

Hermann Büttner: Meister Eckeharts Schriften und Predigten, übersetzt und

herausgegeben, 2 Bände, Jena 1907, S. VIII ff.

2

Durch die Rechtfertigungsschriff sind unmittelbar: Predigt 6, 8, 13, 25, 40,

65, 82, 83, 84, 90 und 96 mittelbar noch andere als echt erwiesen. Mit der Recht-

fertigungsschrift hatte es folgende Bewandtnis: Sie wurde schon um 1880 von

dem Geheimen Archivrat Ludwig Keller in der Stadtbibliothek zu Soest auf-

gefunden. H e r m a n n B ü t t n e r machte davon zum ersten Male — siehe vor-

hergehende Fußnote — der Öffentlichkeit Mitteilung! Der erste Herausgeber der

lateinischen Rechtfertigungsschrift, P. A u g u s t i n u s D a n i e l s , OSB, ver-

dankte deren Kenntnis seinem Freunde A d o l f S p a m e r . Er hatte im Jahre

1911 durch Vermittlung des Herrn Prof, von der L e y e n die erste genaue

Nachricht über das Manuskript von Ludwig Keller erhalten, das dieser schon

30 Jahre früher aufgefunden hatte (siehe Daniels: Eine lateinische Rechtferti-

gungsschrift des Meister Eckhart, Münster 1923). Mit einem Geleitworte von

Clemens Bäumker (der nach dem Tode Daniels’ das Buch herausgab).

3

Siehe darüber unten mehr!