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E r s t e r A b s c h n i t t

Die Grundlagen

I. Das mystische Erlebnis als Grundlage der Philosophie

Meister Eckeharts

Nach allem Gesagten haben wir nun zuerst den Nachweis des

mystischen Erlebnisses als desjenigen zu erbringen, das bei Eckehart

vor aller Begriffsbildung steht, weil es selbst nur ein u n m i t t e l -

b a r e s I n n e w e r d e n , nicht aber schon ein begriffliches Er-

kennen in sich schließt. Es ist das unmittelbare Innewerden einer

übersinnlichen Wirklichkeit, auf welche nur nachträglich, nur mit-

telbar die Verstandeskategorien angewendet werden können. Es ist

unbegreiflich, daß man dieses Unmittelbare und die nachträgliche

deutende Vermittlung bei Meister Eckehart (wie bei allen Mysti-

kern) nicht trennte.

Am einfachsten führen wir eine Anzahl von Stellen bei Eckehart

an, die sich durch Erwähnung des „Lichtes" als Hinweise auf das

mystische, in sich noch b e g r i f f l o s e Erleben ausweisen. Denn

„Licht" ist bekanntlich stets ein Zeichen mystischer Zustände. So

heißt es bei Pfeiffer:

„Diss liehtès wirt der mensche wol gewâr. Swenne er sich ze gote kêret,

alzehant glestet unde glenzet in ime ein lieht unde gît ime zerkennende, waz er

tuon unde lâzen sol . . . ,Wannân von weistû daz?‘ Sieh, daz merke. Dîn herze

wirt dicke berüeret unde gekêret von der weite. Wie möhte daz beschehen wan

mit dirre înliuhtunge? Daz ist sô zart und sô gelüstlich, daz dich alles des ver-

driuzet, daz got oder götlich niht enist.“

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Pf. 12, 10: Dieses Lichtes wird der Mensch wohl gewahr. Wenn immer er

sich Gott zuwendet, so gleißt und erglänzt sogleich ein Licht in ihm und gibt

ihm zu erkennen, was er tun und lassen soll . . . . ,Woher weißt du dies?“ Sieh,

gib acht! Dein Herz wird oft angerührt und von der Welt abgewendet. Wie

könnte das geschehen, wenn nicht durch jene Einleuchtung? Das geschieht so

zart und lustvoll, daß dich alles das verdrießt, was nicht Gott oder göttlich ist.