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In immer neuen Wendungen spricht Eckehart von „diesem
Lichte“. Im folgenden deutet er die Plötzlichkeit des Eintretens der
Erleuchtung, die man im Mittelalter „inslac“ (Einschlag) nannte, an:
„Eyâ, möhte ich des ein Zeichen haben, da bi ich möhte wizzen, daz ez
geschehen wêre? Ja, sicherlîche! wârer Zeichen wol driu. Der wil ich nû einz
sagen.. . Als wir vinden ein glîchnüsse an dem tunre. Wen er triffet sô er
slêt, waz daz ist, ez sî boum oder tier oder mensche, daz kêret er mit dem
slage gegen im ... Hête ein boum tûsent bleter, diu kêrent sich alle umbe gegen
dem slage mit dem rechten ende. Sich, alsô beschiht allen den, die von dirre
geburt [Gottes in der Seele, wie Eckehart die mystische Einung oft nennt] wer-
dent troffen: die werdent snelleclîche gekêret zuo dirre geburt...“
1
.
Eckehart unterscheidet die gewöhnliche Vernunft von der höhe-
ren, mystischen, das ist jener, die des höheren Lichterlebnisses fähig
ist:
„Die Vernünftigkeit, die da suchend ist, springet in die Vernünftigkeit, die
da nicht suchend (nicht überlegend, nicht diskursiv) ist, die da ein lauteres Licht
in ihr selber ist.“
Man ersieht schon aus dem Angeführten, daß der Ausdruck
„Licht“ sinnbildlich ist, daher nicht überall dasselbe bedeutet. Das
zeigt sich auch am folgenden:
„Götlich nâtûre giuzet sich in daz lieht der sêle unde si wirt enthalten dar
inne.“
„Unde daz ist stân in dem luteren liehte, dâ si [die Seele] mit gote ein
bilde ist; da vindet si got.“
2
„ ... an dem obersten gensterlîn [Seelenfünklein — von dem wir später noch
hören werden], da man gotlich lieht enpfâhet, daz gescheidet sich niemer von
gote unde wirt niht gemitelt [ist unmittelbar].“
3
1
Pf. 28, 28: Ei! Könnte ich dafür ein Zeichen haben, woran ich erkennen
könnte, daß es (wirklich) geschehen wäre (die Geburt des Gottessohnes)? — Ja,
gewiß, (es sind) wohl drei verläßliche Zeichen. Von denen will ich nun eines
angeben . . . . wofür wir ein Gleichnis am Blitze finden: Was der trifft, wenn er
einschlägt — sei’s Baum oder Tier oder Mensch —-, das kehrt er auf der Stelle
zu sich hin. . .. Hätte ein Baum tausend Blätter, die alle kehren sich mit der
rechten Seite dem Schlage zu. Sieh, so geschieht es auch allen denen, die von
dieser Geburt betroffen werden: die werden schnell zu dieser Geburt hinge-
wendet, ...
2
Pf. 86, 23: Göttliche Natur gießt sich in das Licht der Seele ein und bleibt
darinnen befaßt.
Pf. 86, 38: Und das ist ein Stehen in dem reinen Lichte, wenn sie (die
Seele) mit Gott ein Gebilde ist; da findet sie Gott.
3
Pf. 79, 6: Das höchste (Seelen-)Fünklein, mit dem man das göttliche Licht
empfängt, das trennt sich nie von Gott und wirkt unmittelbar.