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Wir dürfen hinzufügen, daß auch die eingebungsmäßig-ideenhafte
Erkenntnis, besonders in der Kunst, in gewissem Sinne ein Sein des
Gegenstandes ist. Der große Künstler lebt sich in seinen Helden
hinein, er i s t im Schaffen des Kunstwerkes dieser Held!
Von hier, dem mystischen und eingebungsmäßigen Denken aus ist
demnach ganz allgemein das S o k r a t i s c h e Wort „Wissen ist
Tugend“ zu verstehen! Für die Geschichte der Philosophie lernen
wir daraus mit Sicherheit, daß Sokrates, der allgemein als Rationa-
list gilt, auch eine echt mystische Seite in seiner Philosophie hatte,
was ja auch am ehesten die treue Gefolgschaft seines Jüngers Platon
erklärt. Und wieder erweist sich auch, wie gleichartig die Wege der
Mystik aller Zeiten sind. In den altindischen U p a n i s h a d e n
bedeutet die Formel: „wer diese weiß“ soviel wie: „der vermag es".
Gottwissen ist auch Gottsein
1
; daher auch Erlösung.
VI.
Das Wesen der Wahrheit
Eckeharts hoher Begriff des mystischen Erkennens, welches ver-
borgen jeder anderen Erkenntnis zugrunde liegt, macht uns auch
seinen Begriff der Wahrheit verständlich. Sonst wird die Wahrheit
schon seit Aristoteles als Übereinstimmung des Gedankens mit dem
Gegenstande bestimmt. Ich selbst bestimmte sie als Übereinstim-
mung des Gedankens mit der Eingebung, wodurch die Überein-
stimmung mit dem Gegenstande zu etwas Abgeleiteten wird (echte
Eingebung ist immer wahr, aber ihre Erfassung im Gedanken ist
eine Fehlerquelle
2
. Für die mystische Erkenntnis muß Eckehart noch
tiefer greifen, er erklärt:
„Daz ist wârheit, daz daz offenbâret, daz ich in mînem herzen habe.. .“
3
.
„Die Wahrheit ist gleichsam der Weg Gottes zum inneren Men-
schen.“
4
1
Brihad-Aranyaka-Upanishad, 2, 4, 77, nach Paul Deussen: Sechzig Upanis-
had’s des Veda, 3. Aufl., Leipzig 1921, S. 478.
2
Vgl. mein Buch: Ganzheitliche Logik, Salzburg 1948.
3
Pf. 102, 33: Wahrheit ist das, was offenbart, was ich in meinem Herzen
habe [nämlich im mystischen Erleben],
4
B 190.