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Die päpstliche Bulle

Die Bulle des Papstes Johann XIII (1316—1334), mit welcher

Eckehart verurteilt wird, lautet nach der Übersetzung von Walter

Lehmann

1

auf Grund des lateinischen Textes von Denifle

2

:

„Johannes, der Bischof, Knecht der Knechte Gottes, zu eigen Ge-

dächtnisse der Angelegenheit. Auf dem Acker des Herrn, dessen

Wächter und Tagelöhner wir auf höchste Verfügung, wenn auch

unverdientermaßen, sind, müssen wir so wachsam und besonnen die

geistliche Pflege ausüben, daß, wenn auf ihn irgend einmal der böse

Feind Unkraut auf den Samen der Wahrheit sät, es, bevor es sich

zu Gewächsen voll schädlicher Triebe entwickelt, im Entstehen er-

stickt wird, damit, wenn der Same der Laster ertötet und die Dor-

nen der Irrtümer ausgejätet sind, die Saat der katholischen Wahr-

heit fröhlich gedeihe. Fürwahr, mit Schmerz berichten wir, daß in

dieser Zeit ein gewisser Eckardus aus Deutschland, wie verlautet ein

Doktor der heiligen Schrift und Lehrer des Predigerordens, weiser

sein wollte als ihm gebührt, ohne Nüchternheit und nicht nach dem

Maße des Glaubens, indem er sein Ohr von der Wahrheit abkehrte

und sich Phantasien zuwandte. Durch den Vater der Lüge nämlich,

der sich so häufig in den Engel des Lichtes verkleidet, um den

dunklen und widerlichen Nebel der Sinne anstelle des Lichtes der

Wahrheit auszubreiten, verführt, hat jener Mensch, entgegen der

helleuchtenden Wahrheit des Glaubens, auf dem Acker der Kirche

Dornen und Unkraut erzeugend und eifrig bemüht, schädliche

Disteln und giftige Kräuter hervorzubringen, viele Glaubenslehren

verkündigt, die den wahren Glauben in vielen Herzen verdunkelten,

und die er soviel wie möglich vor dem einfachen Volke in seinen

Predigten verkündigt und auch in Schriften niedergelegt hat. Aus

der Untersuchung, die hierüber auf Veranlassung unseres hoch-

1

Walter Lehmann: Meister Eckehart, Göttingen 1919, S. 14 ff.

2

Heinrich Denifle: Meister Eckeharts lateinische Schriften und die Grund-

anschauung seiner Lehre, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des

Mittelalters, Bd II, 1886, S. 636 ff.