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tung, noch weniger echte Kunst möglich, noch folgende grund-
sätzliche Erwägung.
Es gibt erweckte und Unerweckte Geschlechterfolgen in der
Geschichte.
Alle jene Geschlechter, welche große Leiderfahrungen machen,
Erschütterungen und grausame Kriege erdulden, grundlegende Irr-
tümer auskosten mußten — alle sie gehören zu den erweckten
Geschlechtern oder wenigstens zu den erwachenden.
Und wer hätte mehr gelitten, wer mehr Irrtümer teurer bezahlt
als unser Geschlecht? Und noch nicht ausgestorben ist die unserm
Volk angeborene faustische Art, von der uns Goethe kündete:
Was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh’ auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern.
Was aber in unserem Falle die Sachlage noch verschlimmert und
verwirrt, ist das Beschämende und Entsetzliche, daß unsere Kultur
an den geschichtlichen Ereignissen, die wir hinter uns haben, die
Probe nicht bestand. Das Menschengeschlecht scheint unerziehbar
zu sein! Wo war die Bildungshöhe, auf der wir uns, auf der wir
die anderen europäischen Völker glaubten, wo die Menschenwürde,
wo Treu und Glauben? Und wenn wir Deutsche uns durch das
Heraufkommen der politischen Unterwelt, welche während des
Krieges herrschte, ein ganz klein wenig entschuldigen können;
können das die anderen im Kriege befindlichen Völker auch von
sich sagen?
Was geschah, zeigt das Bild einer sinkenden Kultur!
Und wenn es noch eines Beweises bedürfte, dann wäre es die
Kunst von gestern und heute, in welcher das Kranke selbst sich
darstellt, das Dämonentum offen hervortritt und sogar zum Sata-
nismus führt!
Sollte das Unglück und sogar die Missetat nicht einen Samen in
jede Seele, die besserer Regungen fähig war, geworfen haben?
Der neue Mensch muß einen neuen Aufschwung nehmen. Er muß
sich innerlich über die Welt zu erheben vermögen; er muß zum
I d e a l i s m u s zurückfinden; zu jener Weltanschauung, die dem