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ich nur erläutern will, Widerspruch zu erregen. Daher bemühte ich
mich, nur einen kleinen Kreis von Künstlern als Beispiel zu verwen-
den, einen solchen, der auch heute allgemein anerkannt ist: Shake-
speare voran, Leonardo, Michelangelo, die Griechen, die deutschen
Klassiker und Romantiker und ähnliche. Nur ganz ausnahmsweise
wurde dieser enge Rahmen überschritten. Dieser Grundsatz brachte
es allerdings mit sich, daß im Zusammenhange der verschiedensten
Fragen und Denkaufgaben dieselben Kunstwerke als Beispiele im-
mer wiederkehrten. Dieses Einerlei hat aber doch zugleich den Vor-
teil einer Entlastung und Vereinfachung.
Unser Zeitalter ist das eines harten Kampfes zwischen der seit
langer Zeit herrschenden materialistisch-technischen Lebensauffas-
sung und einer neu erwachenden Sehnsucht nach dem Schönen, nach
tiefer, wahrer, mystisch begründeter Kunst!
Da können die empiristischen, subjektivistischen, psychologisti-
schen oder gar utilitaristischen Lehrbegriffe der Kunst, wie sie im
letzten Menschenalter ausgebildet wurden, beileibe nicht genügen.
Sie führen in falsche Wege und sind die Unterlagen dessen, was
man moderne Kunst nennt, einer Verfallskunst, wie sie wohl noch
keine Zeit so arg und beschämend sah!
Wenn die folgenden Blätter es vermögen, den neu erwachenden
Kräften der Zeit zu Hilfe zu kommen, Mißverständnisse, Gleich-
gültigkeit und Unkenntnis der wahren Kunst überwinden zu helfen,
dann erfüllen sie ihre Bestimmung und tun den Erfordernissen der
Zeit in ihrer Weise genug.
Es ist nicht der Ehrgeiz dieses Buches, eigentlich Neues zu bieten
— glücklich genug, wenn es ihm gelingt, die alten, ewig neu schim-
mernden Wahrheiten, die von Winckelmann, Lessing, Schiller und
Goethe bis zu den letzten Rittern des deutschen Idealismus ent-
faltet und verkündet wurden, wieder zu entwickeln. Das geschieht
allerdings in neuer Art, in der Art des ganzheitlichen Verfahrens.
Wie in der gesamten Philosophie ist es auch in der Philosophie
der Kunst an der Zeit, die alten unverbrüchlichen Rechte des
Idealismus geltend zu machen.
Durch unsere Zeit geht ein Sehnen nach Gewißheit übersinn-
lichen Lebens. Aber wie kann der Mensch zu solcher Gewißheit
gelangen?