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Echte Kunst ist wesensnotwendig eine bildende Kraft, eine Macht

des Lebens, ein treibender Genius der Menschheit, ihrer inneren

Geschichte.

Wie ohne Wissen unser Geist dumpf bliebe, so ohne Kunst uner-

weckt und ungestalt. Durch die Kunst wird unser Gemüt erweitert,

vertieft, unser Geist gefügt und zum Ausdrucke gebracht. Ohne

Gestaltung gleicht unser Gemüt dem Gedanken, für den wir das

Wort nicht finden und der darum so gut wie ungeboren bleibt.

Denk- und Dichtkraft spielen ineinander.

Daß die Kunst keine „Flucht ins Ideal“ sei, kann man sich sogar

an dem derben Beispiele eines verwahrlosten Gewerbebetriebes ver-

deutlichen, welcher sich in einen vollkommenen verwandeln will,

mit vollkommenen Maschinen und vollkommener Ordnung. Das

wäre vielmehr eine „Flucht in die vollkommene Wirklichkeit“ zu

nennen, nicht aber eine solche in ein unwirkliches „Ideal“. Eichen-

dorff sagt vom Dichter:

Was er inbrünstig bildet, liebt und leidet,

Es ist des Lebens wahrhafte Geschichte.

Nicht Unwirkliches, sondern dichteste Wirklichkeit ist es, was

echte Kunst kennzeichnet (wovon später mehr).

Würde man einwenden, die Kunst sei dennoch nicht Leben, denn

eine Maschine z. B. müßte praktisch sein, nicht aber schön; so wäre

zu bedenken, daß selbst eine „ausschließlich praktische“ Maschine

irgendeine Gestaltung, und sei es nur die geometrische, mit geraden

Linien, reinen Kreisen usw., haben müsse! Auch das wäre demnach

schon ein Mindestmaß an Kunst. Ein Mindestmaß ist aber nur ein

Verarmungszeichen, nicht das Wesensgemäße. Die Notwendigkeit:

„hier Maschine — hier Häßlichkeit“ besteht also keineswegs; noch

weniger die Absonderung zweier Lebensgebiete, Kunst und Wirt-

schaft. Ich selbst sah in den zwanziger Jahren eine Dampfmaschine,

die hundert Jahre alt und sehr schön war (da umgebaut, war sie auch

durchaus wirtschaftlich). Wenn wir den Dingen, welche uns umge-

ben, eine häßliche Gestalt geben, ist das nicht etwa „praktisch“,

vielmehr unpraktisch und unwirtschaftlich, da uns eine kalte und

häßliche Umgebung innerlich und geistig nicht Genüge tun kann,

uns nicht beschwingt, daher verarmen läßt.

Wenn aber unsere Zeit in ihrer Kunstlehre das Schöne bloß aus

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2 Spann, 19