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Die schier unüberwindliche Schwierigkeit, welche dieses Buch

vorfindet, ist der Verfall wahrer philosophischer Bildung in unserer

Zeit. Von Leibniz und Kant bis zu den Schulen Fichtes, Schellings

und Hegels waren wir Deutsche die geistigen Führer der Welt.

Heute sind wir uns selbst abhanden gekommen. Die philosophische

Bildung verfiel und ging in Materialismus, Empirismus, Skeptizis-

mus auf, Erscheinungen, welche stets Zeugnisse geschwächten und

abgeirrten inneren Lebens sind.

Nur aus starkem inneren Leben und unbeirrbarem inneren Ernst

allein kann aber die hohe Kunst dauernd ihre Nahrung ziehen.

Wie nach dem Tode Platons und Aristoteles’ der griechische Geist

durch Veränderung seiner Weltstellung und durch Erschöpfung sei-

ner geistigen Schichten an innerem Ernste einbüßte und einem

langsamen Verfalle entgegenging, so ist auch der deutsche Geist von

ähnlichem Schicksale bedroht, wenn nicht bald eine gründliche Um-

kehr und Einkehr erfolgt.

Das erschütterndste Sturmzeichen ist die heutige Kunst selbst, in

welcher an Stelle des Hohen und Unvergänglichen unserer alten

Klassik und Romantik der roh-freche Mut zum Dämonischen, Frat-

zenhaften, Willkürlichen und vor allem, was neu sein dürfte in der

gesamten Geistesgeschichte, zum Geisteskranken trat! Wer das für

eine Übertreibung oder gar für eine Beschimpfung hält und nicht

für eine nüchterne Feststellung, geht am Wesentlichsten unserer

Zeit vorüber. Wo aber die geistig Getrübten und Krankhaften die

Führung erlangen, da ist der Verfall der Kultur unvermeidlich.

Wie ist Hilfe zu schaffen in solcher innerlichster Bedrängnis?

Nicht anders als immer in der Geschichte in solchen Lagen. Als vor

nun fast hundertfünfzig Jahren Napoleon mächtig und unanfecht-

bar dastand, da arbeiteten Freiherr vom Stein, Scharnhorst und

Gneisenau in der Stille an der Erneuerung der inneren Kräfte des

Staates. Auf eine solche innere Erneuerung kommt es auch heute

an, und auf nichts anderes!

Verwiese man demgegenüber, daß es ja auch heute eine Wissen-

schaft der Ästhetik gebe, nämlich eine psychologische, experimen-

telle, kurz naturalistische, so müssen wir diese allerdings verneinen.

Diese und alle andern dazugehörigen Richtungen sind offen oder

verdeckt schlimme Verfallserscheinungen, leben- und schönheits-