13
Die schier unüberwindliche Schwierigkeit, welche dieses Buch
vorfindet, ist der Verfall wahrer philosophischer Bildung in unserer
Zeit. Von Leibniz und Kant bis zu den Schulen Fichtes, Schellings
und Hegels waren wir Deutsche die geistigen Führer der Welt.
Heute sind wir uns selbst abhanden gekommen. Die philosophische
Bildung verfiel und ging in Materialismus, Empirismus, Skeptizis-
mus auf, Erscheinungen, welche stets Zeugnisse geschwächten und
abgeirrten inneren Lebens sind.
Nur aus starkem inneren Leben und unbeirrbarem inneren Ernst
allein kann aber die hohe Kunst dauernd ihre Nahrung ziehen.
Wie nach dem Tode Platons und Aristoteles’ der griechische Geist
durch Veränderung seiner Weltstellung und durch Erschöpfung sei-
ner geistigen Schichten an innerem Ernste einbüßte und einem
langsamen Verfalle entgegenging, so ist auch der deutsche Geist von
ähnlichem Schicksale bedroht, wenn nicht bald eine gründliche Um-
kehr und Einkehr erfolgt.
Das erschütterndste Sturmzeichen ist die heutige Kunst selbst, in
welcher an Stelle des Hohen und Unvergänglichen unserer alten
Klassik und Romantik der roh-freche Mut zum Dämonischen, Frat-
zenhaften, Willkürlichen und vor allem, was neu sein dürfte in der
gesamten Geistesgeschichte, zum Geisteskranken trat! Wer das für
eine Übertreibung oder gar für eine Beschimpfung hält und nicht
für eine nüchterne Feststellung, geht am Wesentlichsten unserer
Zeit vorüber. Wo aber die geistig Getrübten und Krankhaften die
Führung erlangen, da ist der Verfall der Kultur unvermeidlich.
Wie ist Hilfe zu schaffen in solcher innerlichster Bedrängnis?
Nicht anders als immer in der Geschichte in solchen Lagen. Als vor
nun fast hundertfünfzig Jahren Napoleon mächtig und unanfecht-
bar dastand, da arbeiteten Freiherr vom Stein, Scharnhorst und
Gneisenau in der Stille an der Erneuerung der inneren Kräfte des
Staates. Auf eine solche innere Erneuerung kommt es auch heute
an, und auf nichts anderes!
Verwiese man demgegenüber, daß es ja auch heute eine Wissen-
schaft der Ästhetik gebe, nämlich eine psychologische, experimen-
telle, kurz naturalistische, so müssen wir diese allerdings verneinen.
Diese und alle andern dazugehörigen Richtungen sind offen oder
verdeckt schlimme Verfallserscheinungen, leben- und schönheits-