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In ontologischer Hinsicht folgt daraus, nebenbei gesagt, daß alles
Geschaffene zweierlei Sein habe: das ausgegliederte Sein (welches
durch Einerleiheit oder Identität mit sich selbst gekennzeichnet ist
— die Schallwellen des Wortes sind sich selbst gleich) und das durch
Rückverbundenheit oder Befaßtheit im Ausgliedernden verblei-
bende Sein (das Wort als Gedanke). Das Ausgegliederte ist dem-
nach nicht b l o ß mit sich selbst einerlei, es hat nochmals ein Sein,
nämlich im Ausgliedernden (als Gedanke); es ist sich selbst gleich,
mit sich selbst einerlei u n d , wie wir es ausdrücken können, sich
selbst fremd! Das sich selbst gleiche oder kurz selbgleiche und das
sich selbst fremde, kurz selbfremde Sein kommt daher jedem Ge-
schaffenen, ganzheitlich Begriffenen zu. Die Welt ist einmal sich
selbst gleich, als ausgegliederte, zugleich aber sich selbst fremd, als
in den Augen (oder Schöpfergedanken) wohnende, innebleibende.
Bezeichnen wir die Selbgleichheit nach den Gepflogenheiten der
Logik mit A = A, so wäre die Selbfremdheit als A = — A zu
bezeichnen.
Das ausgegliederte Sein ist selbgleiches, das rückverbundene ist
selbfremdes Sein. Das rückverbundene, selbfremde Sein können wir
auch als „urbildliches“ Sein, als Sein im Schöpfungsgrunde bezeich-
nen. Die Dichtung in der Seele des Dichters, das Gemälde in den
Augen des Malers hat urbildliches Sein, Sein im Schöpfungsgrunde,
während es zugleich als fertiges, objektiviertes, ausgegliedertes
Kunstwerk ein Sein in sich selbst, ein selbgleiches Sein hat. Jedoch
führt dies, weiterverfolgt, von der Kunstphilosophie ab in das Ge-
biet der Kategorienlehre
1
.
Der Begriff der Befaßtheit, Rückverbundenheit oder des Innebleibens alles
Seins in den jeweiligen, es ausgliedernden, höheren Ganzheiten ist nicht nur eine
Kategorie des ganzheitlichen Philosophierens; wer sich einmal mit ihm vertraut
machte, wird ihn in Leben, Wissenschaft und Kunst nicht mehr missen können.
II. Rückverbundenheit und Schönheit
Wie kommt nun im Schönen die Rückverbundenheit zur Gel-
tung? Sie kann ja in der Kunst nicht begrifflich erklärt werden;
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Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, 3. Aufl., Graz 1969, S. 214 ff. [= Othmar
Spann Gesamtausgabe, Bd 9].