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sonst würde Kunst zur Wissenschaft, Erkenntnis, Wahrheit, nicht
Schönheit wäre dann ihr Ziel.
Die Antwort lautet: Die Rückverbundenheit wird von der Kunst
nicht eigens dargestellt; sondern sie liegt schon in der treuen Gestal-
tung echter Eingebung.
Die Rückverbundenheit gehört schon der Eingebung an!
Denn die Eingebung erfaßt bereits ihren Gegenstand in seiner
Rückverbundenheit, das heißt, in seiner Enthaltenheit und Befaßt-
heit in den jeweilig h ö h e r e n G a n z h e i t e n , welche den
Gegenstand der Eingebung ausgliedern! Wer z. B. die Geschöpfe des
Zeus aus tiefer Eingebung heraus darstellen wollte, müßte ihnen
etwas von dem Schöpfertume, dem Schöpferlichte, das sie „in den
Augen des Zeus“ haben, verleihen!
Es gibt ein untrügliches Merkzeichen für Werke hoher Kunst: Sie
wecken metaphysische Empfindungen in uns (sei es auch nur unbe-
wußt). Woher das? Sie sind ein Zeugnis der Befaßtheit, Rückver-
bundenheit des Gegenstandes in höheren Ganzheiten, zuletzt in der
alles befassenden Gottheit! „Gottes ist der Orient — Gottes ist der
Okzident...“ Ein beredtes Zeugnis für das, was wir hier meinen,
ist R e m b r a n d t s Radierung der „Landschaft mit den drei
Bäumen“. An sich mögen es Bäume sein wie andere auch; aber die
Empfindung ihres Enthaltenseins im All, ihr stummes Zeugnis von
einem Ubersein, das sie trägt und hält (oder wie man es sonst aus-
drücken möge), weckt eine metaphysische Empfindung, bezeugt die
Gliedhaftigkeit des in der Eingebung erfaßten Gegenstandes im
Weltgrunde — und das ist es, was die Rückverbundenheit des Schö-
nen ausmacht.
Man kann die Rückverbundenheit des Schönen als eine zweifache
fassen; jene der einzelnen Teile oder Glieder des Schönen (des
Kunstwerkes) im Gesamtganzen des Kunstwerkes selbst (z. B. des
einzelnen Auftrittes, der einzelnen Handlung im Drama); und
jene des ganzen Kunstwerkes, das heißt, ihres Gegenstandes, in
höheren Ganzheiten, zuletzt in der absoluten Urganzheit, der alles
in sich hegenden und befassenden Gottheit.
Je höher hinauf die Rückverbundenheit weist, umso metaphysi-
scher stellt sich uns das Schöne dar, umso erhabener ist das Kunst-
werk. Im „Sturm“ Shakespeares z. B. stellt sich jeder einzelne Teil
als in der Einheit des ganzen Dramas befaßt dar; und das Drama