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wie Krypten wirkten und eine Weihe hatten, welche heutige Prunk-
bauten, sogar Kirchen nicht immer erreichen.
Auch die Baukunst bezeugt demnach den höheren Ursprung aller
wahren Kunst, indem sie uns die Rückverbundenheit des Schönen
im höchsten Glanze zu zeigen vermag; aus der sie ja entspringt!
In nackten Worten spricht dies K a r l F r i e d r i c h S c h i n k e l
aus, wenn er sagt:
„Die Kunst selbst ist Religion. Das Religiöse demnach ist ewig zugänglich der
Kunst. Das religiöse Gebäude der Architektur kann nur der Ausgangspunkt sein
für die gesamte Bestimmung der Architektur“
1
.
„... vom religiösen Gebäude aus ginge der Baukünstler über zu allen anderen
Gegenständen seiner Kunst, wo er überall das Religiöse einzuführen wüßte. Welche
seligen Wohnungen müßten da hervorgehen!
2
...“
3. Die Romantik
Besonders klare Beispiele bietet die romantische Kunst.
Sie beruht ja wesentlich darauf, um die Geborgenheit des Men-
schen zu ringen oder sie zu feiern und zu preisen. Das Bangen um
den Sinn des Lebens, das ist ja die Rückverbundenheit, beherrscht
immer wieder die romantische Kunst. Wenn Eidhendorff von den
Nachtigallen singt:
Möcht’ wissen, was sie schlagen
So schön bei der Nacht.
Ist in der Welt ja doch niemand,
Der mit ihnen wacht.
— dann wird die Geborgenheit aller Wesen in einem sinnvoll ge-
ordneten Gesamtganzen in Frage gestellt, gleichsam das Vertrauen
zur Weltordnung erschüttert, die Frage der Rückverbindung aufge-
worfen. Ähnliches kann man von dem Chorliede in S c h i l l e r s
„Braut von Messina“ sagen:
Was sind Hoffnungen, was sind Entwürfe,
Die der Mensch, der flüchtige Sohn der Stunde,
Aufbaut auf dem betrüglichen Grunde?
1
K. Fr. Schinkel: Briefe, Tagebücher, Gedanken, Ausgewählt, eingeleitet und
erläutert von Hans Mackowsky, Berlin 1922, S. 180 (an den Kronprinzen von
Bayern, 1834).
2
K. Fr. Schinkel: Briefe, . . . , S 195.