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„Entsteht nicht ein Kunstwerk in dem Momente, wenn ich einen Zusammen-
hang mit dem Universum vernehme?“
1
Hier ist die Rückverbundenheit — „mit dem Universum“ —
fast beim Namen genannt und als Geburt des Schönen gefeiert.
Ferner drängen sich einige Aussprüche G o e t h e s auf. Wir
erinnern zuerst an das bekannte Wort:
„Die Kunst ruht auf einer Art religiösem Sinn... deswegen sie sich auch so
gerne mit der Religion vereinigt“
2
.
Und wie eine Erläuterung dazu klingt, was Goethe in den „Apho-
rismen“ (bei Riemer, 26. März 1814) sagt:
„Die Menschen sind nur so lange produktiv, als sie religiös sind; dann werden
sie bloß nachahmend und wiederholend“
3
.
Nicht um bestimmte Glaubenslehren handelt es sich in beiden
Äußerungen, vielmehr um die Religiosität als solche, welche nichts
anderes als Rückverbundenheit ist. Goethe fordert also nichts Ge-
ringeres als eine bestimmte Haltung, eine Haltung, wie sie aus steter
Durchdrungenheit vom Befaßt- oder Rückverbundensein des Men-
schen im Höchsten folgt. Diese Haltung ist ihm mit Recht unerläß-
liche Voraussetzung für geistige, künstlerische „Produktivität“, das
will sagen Eingebungskraft.
Im Lichte dieser klaren Aussprüche Goethes können wir auch eine
Äußerung zu Kanzler Müller auf Rückverbundenheit deuten:
„Der Mensch, wie sehr ihn auch die Erde anzieht mit ihren tausend und aber-
tausend Erscheinungen, hebt doch den Blick forschend und sehnend zum Himmel
auf, weil er tief und klar fühlt, daß er Bürger jenes geistigen Reiches sei.“
(29. 4. 1818.)
Dazu in den „Maximen“:
„Der Mensch wäre nicht der Vornehmste auf der Erde, wenn er nicht zu vor-
nehm für sie wäre“
4
.
Ferner:
„Der Greis wird sich immer zum Mystizismus zu bekennen haben... das
hohe Alter beruhigt sich in dem, der da ist, der da war und der da sein wird“
5
.
1
Angeführt bei Richard Benz, a. a. O., S. 39.
2
Johann Wolfgang von Goethe: Maximen und Reflexionen, 1188.
3
Friedrich Wilhelm Riemer: Briefe von und an Goethe, Desgleichen Apho-
rismen und Brocardica, Leipzig 1846.
4
Goethe: Maximen und Reflexionen, 262.
5
Goethe: Maximen und Reflexionen, 592.
13 Spann, 19