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gestellt, niemals im zeiträumlich-sinnlichen Mittel übertragen, ge-
staltet werden — die Eingebung könnte nicht als Gestalt, das
Unendliche nicht im Endlichen erscheinen!
Wie soll nun ein solcher Bezug gedacht werden?
Die früher von uns entwickelten Lehrbegriffe liefern die An-
haltspunkte für die Beantwortung dieser Frage.
Dies aber ist die Antwort: Das Überweltliche ist überzeitlich,
überräumlich und übersinnlich; j e d o c h h a t e s e i n e H i n -
g e o r d n e t h e i t z u d e n i m m a t e r i e l l e n W u r z e l n
u n d d e n z e i t l o s e n H i n t e r g r ü n d e n d e s M a t e -
r i e l l e n u n d Z e i t l i c h e n .
Die Entrückung des Künstlers durch Eingebung und Rückverbun-
denheit in eine höhere Welt schließt in sich: daß er von der Hin-
geordnetheit der immateriellen Wurzel des Dinges zum Gehalte der
Eingebung ein Bewußtsein in den Zustand des Schaffens mit h e r -
ü b e r n i m m t ! Aus diesem Mit-Herübergenommenen allein
ist der Künstler imstande, das Schöne zu gestalten.
Aus dieser Ansicht der Dinge allein wird es begreiflich, daß das
künstlerische Schaffen am meisten von allen Geistestaten etwas
Zeugerisches, Hervorbringliches hat, wie sonst nur die Naturvor-
gänge selbst.
In der Natur, z. B. beim Werden der Kristalle, bei der Befruch-
tung der Pflanzen und alles Lebenden, ist es ein Sich-Hineindrängen
der immateriellen Wurzeln in die stofflich-sinnlich-zeiträumliche
Welt; und zwar mit Hilfe eines schon zubereiteten Diesseitigen, so
der Mutterlauge, des Keimes, des Eies.
Und in der Kunst? Hier ist es ein in der inneren Welt des Künst-
lers nachgebildetes Darstellen aller jener Seinsbezüge, immateriellen
Gliederungen, welche die G r u n d l a g e f ü r a l l e s W e r d e n
und Zeugen in der diesseitigen Welt bilden!
Die Schönheit in der überzeitlich-überräumlich-überstofflichen
Welt besteht; sie besteht in der V o r g e b i l d e t h e i t d e r
G l i e d e r u n g e n u n d d e s M i t e i n a n d e r s e i n s aller
jener Wesenheiten, durch deren Verbindung im diesseitigen Bereich
die Gestalten entstehen, geistige sowohl wie sinnliche!
Die höchste Schönheit verzehrt gleichsam das Zeitliche, Räum-
liche und Sinnliche; aber nicht vollständig, vielmehr nur in der
Weise, daß es dasselbe überzeitlich, überräumlich, überstofflich noch