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noch zur höchsten, allerhöchsten Kunst: Es ist die endliche Über-

windung der aufgewühlten Unruhe und des tollkühnen Rasens, was

ihn schließlich zum Ziele innerer Ruhe und Siegesfreude führt.

Es muß geradezu als ein Zeichen innerlich gescheiterter Kunst

betrachtet werden, über das Ruhelose nicht hinauszukommen und

im Hadern zu verweilen. Und ein untrügliches Zeichen von After-

kunst ist es, wenn an die Stelle des hohen, wenn auch gescheiterten

Strebens die Hast und Unbefriedigung der einzelnen Sinnesreize,

Triebe und sogar Haßregungen, die der niederen Vernunft ange-

hören, treten und das Kunstwerk beherrschen. Denn dann ist es

vorbei mit dem Schönen (so unter anderen die gesellschaftskriti-

schen Stücke Hebbels, Ibsens, Gerhart Hauptmanns!). Einer solchen

Kunst, wie ja jeder Verfallskunst, mangelt es an innerem Auf-

schwunge und an eingebungsvoller Anschauung; daher an jenem

Abglanze metaphysischen Lichtes, welches nur durch Vertiefung,

Sammlung, Rückverbundenheit erlangt wird.

B. Die F r e u d e

Der erhabenen Ruhe innig verschwistert ist eine gehobene Freu-

digkeit, himmlische Heiterkeit, welche auf der erreichten höheren

Seinsebene wohnt.

Sie muß allerdings von einer mehr sinnlich bedingten, dem An-

genehmen und dem Behagen verwandten Lustigkeit unterschieden

werden. Denn diese hat sinnliche, jene hat zuletzt übersinnliche

Quellen.

Wie die verborgene Ruhe finden wir auch die höhere Freudigkeit

in aller hohen Kunst. Sie fehlt nicht bei Homer und nicht in der

gesamten griechischen Kunst (welche von den älteren Philologen

und Archäologen richtig als heiter gekennzeichnet wurde — bis die

angefaulte Moderne dazwischen kam und dies leugnete); auch nicht

in der ernstesten der Welt, in der griechischen Tragödie. (Daß der

„Deus ex machina“ zu dieser Auffassung der Freude allein paßt und

die tiefste Wahrheit der altgriechischen Dramatik offenbart, wird

uns dadurch besonders deutlich.) Sie fehlt nicht im altindischen

Schauspiele, wie die „Sakuntala“ beweist, sie fehlt auch nicht in der

altchinesischen Kunst. Bei Shakespeare finden wir sie ausgeprägt in