Table of Contents Table of Contents
Previous Page  8308 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 8308 / 9133 Next Page
Page Background

248

auf philosophische Wechselrede und Gedankenführung bedachte Geistigkeit als

die homerische. Darum finden wir im „Mahabharatam“ wohl das Erhabene, von

steter Rückverbundenheit Durchdrungene des homerischen Stiles wieder; nicht

aber die homerische Formenstrenge, Unreflektiertheit und Geschlossenheit der

Gestaltung.

Ferner tritt aus demselben Grunde das Philosophisch-Mystische bei den Indern

als eigener Stoff oft selbständig hervor (wie die vier von Deussen vorgelegten

Gespräche bezeugen).

IV. Die Verbindlichkeit des Schönen:

Die Eingebungsnähe als Grundlage des Kunstrichteramtes

Aus dem Wesen von Eingebung, Gestaltung und Rückverbunden-

heit folgt die Verbindlichkeit des Schönen.

Mit dem Urteil „Das ist schön“ verhält es sich genauso wie mit

dem Urteile „Das ist wahr“. Die Urteile über das Wahre werden

sehr voneinander abweichen; dennoch folgt daraus nicht, daß es

keine Wahrheit gebe, folgt daraus kein R e l a t i v i s m u s !

Wie im logischen Urteile die Verschiedenheiten nicht deswegen

bestehen, weil es keine Wahrheit gäbe, so auch im Kunsturteile nicht

deswegen, weil es keine Schönheit gäbe. Was wahr und was schön

ist, steht in sich selbst fest und ist in sich selbst begründet, in der

gestalteten und rückverbundenen Eingebung!

Das wesentliche Erfordernis für das richtige logische und künst-

lerische Urteil ist das gleiche: die Fähigkeit des Urteilenden, jene

Eingebung, auf welcher der jeweilige logische oder der künstlerische

Tatbestand beruht, in sich zu erwecken! Diese Fähigkeit beruht

darauf, daß dem Urteilenden die betreffende Eingebung innerlich

nahe liegt. Wir nennen dies daher die Eingebungsnähe.

Wesentlich dünkt uns die Einsicht, daß es ohne Eingebungs-

erweckung im Urteilenden, also o h n e E i n g e b u n g s n ä h e

ü b e r h a u p t k e i n l o g i s c h e s w i e a u c h k e i n

k ü n s t l e r i s c h e s U r t e i l g e b e n k ö n n e .

Das leuchtet wohl am Beispiele der mathematischen Urteile am

einfachsten ein. Über mathematische Dinge zu urteilen, erfordert

neben gewissen Kenntnissen offensichtlich „mathematische Bega-

bung“. Was ist diese aber anders als Eingebungsnähe, Fähigkeit, die

mathematische Eingebung im Urteilenden durch Kenntnisnahme

mathematischer Leistungen eines anderen in sich selbst zu erwecken?