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Geknüpfte weg, die seelisch-geistigen Erscheinungen. Das gilt, auch
wenn man sie nicht wie der platte Materialismus als Erzeugnis des
Leibes auffaßt. „Unsterblichkeit der Seele” ist also nach den Natur-
bedingungen des menschlichen Wesens unmöglich.
(Nebenbei: Besonderer gelehrter Hinweise, wie der sogenannten
„Aktualitätstheorie” in der Psychologie, wonach alle seelische Wirklich-
keit nur in den einzelnen seelischen Geschehnissen liege, die natür-
lich mit dem Tode aufhören, bedarf es gar nicht mehr.)
Der Sammler:
Ich möchte dir gerne auf diese Einwände antworten, zumal mit
den naturwissenschaftlichen Argumenten gegen die Unsterblichkeit
alle überhaupt möglichen Argumente mitgetroffen sind. Aber sage
mir zuvor: Sind sie nicht veraltet? Nimmt die heutige Naturwissen-
schaft nicht in Wahrheit schon einen anderen Standpunkt ein ? Strebt
sie noch durchgehends eine „Psychologie ohne Seele” an, welche
lediglich die einzelnen, die jeweils „aktuellen” seelischen Erschei-
nungen nach ihren „Naturgesetzen” untersuchen wollte, das heißt
ohne eine — sie mysteriös dünkende — „Einheit” oder „Seele”?
Ferner, sagt sie noch: „Der Mensch ist, was er ißt”, wie die alten
Materialisten? Sagt sie noch, wie diese, das Denken sei ein Ergebnis
der Gehirntätigkeit, ähnlich wie der Urin eine Absonderung der
Nieren; sagt sie noch, es sei eine Art von chemischer Erscheinung
oder von „Fluoreszenz”— sagt sie das alles noch, wie es die Natur-
forschung des 19. Jahrhunderts tat? Spricht sie noch wie ein Büchner,
Moleschott, Haeckel, die sich mit Stolz und Begeisterung Materia-
listen und Atheisten nannten? Manche meinen, daß die heutige
Naturwissenschaft anders denke, da die neueste Physik das alte,
einfache Atom auflöst, in einen Verband elektrischer Korpuskeln
verwandelt und an die Stelle der älteren Auffassung, die nur Druck
und Stoß starrer Teilchen kannte, eine elektromagnetische Ansicht
der Materie setzt.
Der Zerstreuer:
Du kannst mir getrost auf meine Beweisgründe antworten. Denn
was ich sagte, hängt nicht von einzelnen Schwankungen einzelner
Theorien, sondern von jener Natur- und Weltauffassung ab, jenem
Verfahren,
jenem
Erkenntnisideale,
das
die
Naturwissen-
schaften seit Galilei und Newton groß machte. Es ist das Ideal,
alles Geschehen der Welt nach seiner mengenhaft-ursächlichen
Bestimmtheit, das heißt zuletzt mathematisch zu erkennen, welches