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Darum laß mich weit ausholen und einmal ganz im allgemeinen
von der Würde des Menschen zu dir sprechen.
Das Erste ist, daß der Mensch wieder groß von sich denken lerne.
Das vermag er nur, wenn er sich selbst in seinem geistigen Wesen
erkennt, das heißt aber: die Geistesordnung von Grund auf anders
versteht als die Naturordnung.
Wüßten die Menschen mehr vom Geiste, sie wären ihrer Würde
gewiß.
Wenn sich der heutige Mensch nicht frei macht von der unwahren
und abtötenden Ansicht, alles Dasein sei toten Gesetzen, starrer
Notwendigkeit unterworfen, die ganze Welt und der Mensch mit
ihr sei nichts als eine rechenbare, mechanisch laufende Maschine;
und ferner, alles Geistig-Seelische sei zwar nicht eine bloße Ver-
feinerung der chemisch-physikalischen Vorgänge in unserem Körper,
bilde aber doch nur eine streng determinierte „Parallele” dazu —
dann raubt er sich den schönsten Anblick des Lebens, gibt sich
einem zerstörenden Irrtume hin und stürzt sich selbst ins Unglück.
Das materialistische Denken, das dem europäischen Menschen
nun schon seit Jahrhunderten durch tausend Kanäle eingeflößt wird,
es muß von Grund auf getilgt werden! Mag es auch in den Fach-
wissenschaften als sogenannter heuristischer Grundsatz und für den
Aufbau unserer Technik weiterhin seine Dienste leisten, es darf
nicht der Ernst des Lebens werden. Es raubt uns die Seele, es ver-
nichtet unsere Würde, es zerstört den Sinn des Lebens.
Der Zerstreuer:
Du stoßest gar zu weit vor, mein Freund —vielleicht zum Teil
ins Leere? Denn wir reden, fürchte ich, aneinander vorbei.
Die besonnene Naturforschung nämlich sagt nicht ganz, was du
sie sagen lässest. In Wahrheit will sie nichts anderes sein als die bis
zum äußersten gereinigte Form treuer Tatsachenbeobachtung.
Warum z. B. ein stoßender Körper den gestoßenen bewegt, ist
uns, dessen ist sich die Naturforschung bewußt, so wenig bekannt,
wie warum unsere leiblichen Zustände seelische Parallelen oder
Folgen haben und die seelischen Zustände leibliche. Das wurde von
Hobbes und Hume an bis zu Mach und dieser Stunde immer wieder
betont.
Der Sammler:
Richtig! Und doch behütet diese Vorsicht nicht vor einer stofflich-
mechanistischen Auffassung al les Daseins und insbesondere des
Würde des
Menschen