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später durch die sogenannte Lapl aci s cheWel t forme l klassisch
bezeichnet wurde. Mit dieser mathematischen Formel, hieß es,
könnte man, wenn man sie fände, das gesamte Weltgeschehen, auch
die menschlichen Handlungen und die Geschichte, voraus- und zu-
rückberechnen — ebenso wie man seit Newton mittelst der Gravi-
tationsformel Sonnen- und Mondesfinsternisse berechnet. Von dem
Erkenntnisideale der Laplacischen Weltformel ist aber die neueste
Physik und unsere ganze Zeit nicht abgegangen.
Auch wer gar nicht weiß, was die Laplacische Weltformel ist,
denkt heute als Naturforscher doch unbewußt in ihrem Sinne. Ja,
das taten sogar schon die Materialisten des Altertums!
Der Sammler:
Ich kann dir in diesem Punkte nur beistimmen. Ist die Physik
auch keine abgeschlossene Wissenschaft, wie man in unserer Jugend
glaubte, so ist sie doch in der Natur au f f as sung von Galilei bis
zum heutigen Tage die gleiche. Das Ideal einer „Weltformel”, durch
welche der sogenannte Laplacische Geist alles Geschehen, auch das
geistige, in seiner Abfolge berechnen könnte, bleibt nach wie vor
bestehen und beherrscht wie das Verfahren der Physik, so das ge-
samte Weltbild unserer Wissenschaft.
Der Zerstreuer:
Unzweifelhaft!
Du stimmst mir also zu, daß, was ich sagte, aus dem einheitlichen
Geiste der Weltauffassung der neuzeitlichen Wissenschaft gesagt war.
Den Mut zum Bekenntnisse, das ist wahr, hatten die früheren Natur -
forscher, die sogenannten Aufklärer, sowie ihre Nachfolger, die
Materialisten des 19. Jahrhunderts, in besonderer Weise. Heute
treten die Naturforscher in dieser Hinsicht weniger deutlich auf.
Wozu auch? Ihre Grundsätze sind nicht mehr im Kampfe gegen
Metaphysik usw. durchzusetzen, sie haben gesiegt; anders damals,
als erst noch die Durchbruchsschlacht für das naturwissenschaftliche
Denken zu liefern war.
Doch genug davon! Entscheidend ist, um es unmißverständlich
festzustellen, allein, daß das Verfahren, nach welchem die Welt
erforscht wird, und das Erkenntnisideal, dem es dient, sich in der
älteren und neuesten Zeit grundsätzlich gleichblieben, nämlich die
sogenannte kausa lmechani s che Auffassung der Welt.