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Erwiderung
Der Sammler:
Wahrhaftig! — ein Blick in das Chaos, der Mark und Bein erschüt-
tert. Dennoch leitet die Empfindung, die er dir erweckt, in die Irre.
Der Vorteil der Naturansicht ist, daß sie ihre Feststellungen mit
Augen, Händen und Instrumenten macht, da kann jeder mit; wäh-
rend die Wahrheiten der Geistesansicht erst einem geweckten, inner-
lichen Leben zugänglich sind.
Wisse, der gebrechliche, naturabhängige Mensch ist noch nicht
der naturhafte Mensch, ist noch nicht Naturwesen. Deine Empfin-
dung beruft sich allerdings auf furchtbare Tatsachen; aber sie lenkt
den Blick vom Geistigen gänzlich in das Stofflich-Naturhafte ab und
kommt von dem Schrecken über die Schwäche des Geistes — zu
seiner Verleugnung, kurz, zu dem, was du — und jeder Denkende! —
unter allen Umständen ablehnst, zum Materialismus.
Der Zerstreuer:
Laß das. Hier gilt nur die konkrete Frage: Wie behauptet sich
die Hoheit des Geistes?
Der Sammler:
Schlecht genug! In einem Teile der Fälle durch Schuld des Gei-
stes! Mangel an Liebe, an Wahrheitswillen, an Willen zum Guten
läßt ihn zu Fall kommen. Aber andererseits, bedenke es ernsthaft,
schon daß der Geist Schuld auf sich laden könne, ist ein Hoheits-
zeichen. Denn ein Stein kann es nicht.
In einer anderen Gruppe von Fällen handelt es sich um leibliche
Störungen. Der menschliche Geist bedarf nun einmal einer Natur-
grundlage zu seiner empirischen Existenz. Die überzeitlichen Ele-
mente, die uns im Wesen des Geistes aufleuchten — Freiheit, Selbst-
setzung, Selbstvergegenständlichung, Actus purus, Gedächtnis —,
werden davon grundsätzlich nicht berührt, sie werden nur zum
Teil außer Wirksamkeit gesetzt und bleiben latent bestehen. Das
ist entscheidend.
Der Zerstreuer:
Du bezeichnest es selbst als entscheidend, daß die Schöpfermacht
des Geistes davon nicht berührt sei, begnügst dich aber mit einer
bloßen Behauptung.
Der Sammler:
Doch nicht! Begrif fl i ch bedarf meine Behauptung keiner Be-
gründung, denn daß die Selbstsetzung, daß freies Schöpfertum durch